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Sein Schmerz - Extrem (German Edition)

Sein Schmerz - Extrem (German Edition)

Titel: Sein Schmerz - Extrem (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wrath James White
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ich je wollte. Aber vielleicht tun wir ja genau das Falsche für ihn. Vielleicht ist das Beste, was wir für ihn tun können, seinem Leiden für immer ein Ende zu setzen.«
    Jason saß in seinem verdunkelten Zimmer und hörte zu, wie seine Eltern miteinander stritten. Er hatte diese Unterhaltung im Laufe der Jahre schon viele Male belauscht, wenn seine Eltern glaubten, er könne sie nicht hören. Manchmal vergaßen sie, seine Zimmertür zuzumachen. Für das von Herzen kommende Plädoyer seines Vaters, ihm Sterbehilfe zu leisten, liebte er seinen alten Herrn noch mehr. Es war ein Gefühl, das sich auf schmerzliche Weise in sein Herz schmiegte. Seine Mutter beharrte hingegen unnachgiebig darauf, ihn weiter ein Leben voller Qualen durchleiden zu lassen, und er hasste die Schlampe dafür.
    »Bitte schön, mein Schatz.«
    Jason zuckte zusammen. Seine Trommelfelle fühlten sich an, als hätte man sie mit einer Nähnadel durchbohrt. Seine Mutter stand im Türrahmen seines Zimmers. Sie hielt einen mit Wasser gefüllten Gummibecher in der Hand. Gummi war das einzige Material, das er nicht als unerträglich empfand. In der anderen Hand hielt sie seine Schmerztabletten. Jason hasste es, sie einzunehmen. Die trockenen, gipsartigen Pillen fühlten sich wie Batteriesäure an, wenn sie sich in seinen Bauch hinunterbrannten. Aber zwei oder drei Darvocet alle paar Stunden waren nun einmal das Einzige, was ihn davon abhielt, sich die Adern mit seinen Zähnen aus den Handgelenken zu reißen. Wenn die Wirkung des Medikaments dann unausweichlich nachließ, hatte er jedes Mal das Gefühl, in einem Becken voller Feuerameisen zu treiben.
    »Ich wünschte, du würdest dir etwas anziehen. Ich weiß, dass die Kleidung dir wehtut, aber du bist jetzt einfach schon zu alt, um noch die ganze Zeit nackt zu Hause rumzusitzen.«
    Jason ignorierte sie. Er wusste, dass sein stoisches Schweigen sie nervte, aber er hatte die Kopfschmerzen so satt, die die Vibration ihrer schrillen Stimme ihm unvermeidlich bereitete. Nicht einmal die Darvocet waren stark genug, um ihm zu helfen, wenn sich die Migräne erst einmal meldete. Dann half nur noch Reizabschirmung.
    Seine Eltern hatten eine Vorrichtung zur Reizabschirmung für ihn gebaut, um den Lärm der Welt zu dämpfen. Es war nichts anderes als eine Art Vakuumleichensack aus Latex, an dessen Ecken Nylonseile befestigt waren, mit denen er an der Decke hing. Durch einen Reißverschluss konnte Jason hinein- und hinausklettern, und mithilfe eines kleinen Schlauchs war er in der Lage, durch den Mund atmen. Sobald das Vakuum angeschaltet und sämtliche Luft aus dem Sack gesaugt wurde, klebte er an ihm wie ein Symbiont und verhinderte sämtliche Sinneswahrnehmungen. Nur dann konnte Jason schlafen.
    Er nahm die Pillen aus der Hand seiner Mutter, warf sie sich in den Mund und spülte sie mit ein wenig Wasser hinunter. Dann wandte er ihr ohne ein Wort den Rücken zu und krabbelte ganz langsam in den Latexsack. Er zuckte zusammen, als seine Haut mit dem kalten Metall des Reißverschlusses in Berührung kam und ein eisiges Kribbeln des Schmerzes durch seinen Körper schoss. Jason erinnerte sich wieder daran, wie er einmal mit dem Gesicht voraus auf den Boden geknallt war, als er versucht hatte, ohne Hilfe in den Sack zu klettern, bevor er es richtig gelernt hatte. Bei dem Gedanken zuckte er erneut zusammen und sein Magen verkrampfte sich. Er hatte fast eine volle Stunde in stiller Qual dagelegen und den Drang unterdrückt, loszubrüllen. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, dass seine Schreie ihm nur die unerwünschte Aufmerksamkeit seiner Eltern einbrachten. Seine Mutter hatte noch immer nicht gelernt, dass sie ihn nicht anfassen oder mit ihm sprechen durfte, wenn er solche Qualen litt. Ihr mütterlicher Instinkt schaltete jegliche Vernunft aus: Sie rannte jedes Mal auf ihn zu, versuchte, ihn in die Arme zu nehmen oder ihn mit Worten zu beruhigen und vergaß dabei völlig, wie sehr ihre Stimme und ihre Berührungen an seinen Nervenenden sägten. Sie vergaß, dass der normale Trost, den eine Mutter ihrem Kind spendete, für ihn nur schiere Folter war.
    Jason balancierte auf einem Fuß auf dem Boden, während er das andere Bein in den Sack steckte, und legte sich vorsichtig mit dem Oberkörper in die wohltuende Behaglichkeit des Vakuumsacks. Er war mit einem Wandstaubsauger verbunden und Jason hatte eine Fernbedienung, mit der er ihn in Gang setzen und die Luft aus dem Sack saugen konnte, sobald er sich ganz darin befand.

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