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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Kreuze zu verleihen. Er nahm die Arbeit,
prüfte die Liste der Namen und blätterte in Aktenbündeln.
Unterdessen trat Bouchard an den Kamin und begrüßte seine Freunde.
Er stellte sich zum Kamin und hob seine Rockschöße auf, um sich zu
wärmen.
    »Ein abscheulicher Regen, was?« murmelte er. »Der Frühling kommt
heuer spät.«
    »Ein Gottsdonnerwetterregen! Ich fühle einen Gichtanfall, ich
habe die ganze Nacht im linken Bein Stechen gehabt.«
    Nach kurzem Schweigen fragte Herr Kahn:
    »Und Ihre Frau?«
    »Ich denke, ihr geht es gut«, versetzte Herr Bouchard. »Sie
kommt, glaube ich, heute früh.«
    Neues Schweigen. Rougon blätterte immer fort. Bei einem Namen
machte er halt und fragte:
    »Isidor Gaudibert … Hat der nicht Verse gemacht?«
    »Gewiß«, antwortete Herr Bouchard. »Er ist seit 1852
Bürgermeister von Barbeville. Zu jedem freudigen Ereignisse, zur
Hochzeit des Kaisers, zur Niederkunft der Kaiserin, zur Taufe des
kaiserlichen Prinzen hat er Ihren Majestäten Oden voller Geschmack
gesandt.«
    Der Minister zog den Mund schief. Aber der Oberst versicherte,
er habe die Oden gelesen und finde sie geistvoll. Er führte
besonders eine an, worin der Kaiser mit einem Feuerwerk verglichen war. Ohne jeden Übergang, zweifellos nur
um ihren Gefühlen Ausdruck zu leihen, begannen alle drei Herren den
Kaiser aufs Überschwenglichste zu loben. Jetzt hing ihm die ganze
Gesellschaft mit wahrer Leidenschaft an. Die beiden Vettern, der
Oberst und Herr Bouchard, jetzt versöhnt, warfen sich nicht mehr
die Prinzen von Orleans oder den Grafen von Chambord vor, sondern
wetteiferten darin, wer den Herrscher besser loben könne.
    »Nein, der nicht!« rief Rougon plötzlich. »Dieser Jusselin ist
eine Kreatur Marsys. Die Freunde meines Vorgängers zu belohnen habe
ich nicht nötig.«
    Und mit einem Federstrich, der das Papier aufriß, strich er den
Namen aus.
    »Also muß man einen anderen für das Offizierskreuz finden«, fuhr
er fort.
    Die Herren rührten sich nicht. Herr d'Escorailles hatte trotz
seiner großen Jugend das Ritterkreuz schon vor acht Tagen erhalten;
Herr Kahn und Herr Bouchard waren Offiziere der Ehrenlegion, der
Oberst endlich war eben erst zum Kommandeur ernannt worden.
    »Ein Offizierskreuz also«, wiederholte Rougon,
weiterblätternd.
    Plötzlich hielt er inne und fragte lebhaft:
    »Sind Sie nicht irgendwo Bürgermeister, Herr Béjuin?«
    Herr Béjuin begnügte sich damit, zweimal das Haupt zu neigen.
Statt seiner antwortete Herr Kahn:
    »Gewiß, er ist Bürgermeister in Saint-Florent, der kleinen
Gemeinde, wo sich seine Glasfabrik befindet.«
    »Das paßt ja ausgezeichnet!« sagte der Minister, entzückt, daß
er wieder einen der Seinigen befördern konnte. »Er ist erst
Ritter … Herr Béjuin, Sie bitten nie um etwas. Ich muß immer
an Sie denken.«
    Herr Béjuin dankte lächelnd. Er bat wirklich nie um etwas. Aber er war beständig da, schweigend,
bescheiden, auf die Brosamen wartend, und alles auflesend.
    »Léon Béjuin, nicht wahr? An Stelle von Pierre François
Jusselin«, sagte Rougon, indem er den Namen änderte.
    »Béjuin, Jusselin, das reimt sich!« bemerkte der Oberst.
    Dieser Spaß schien sehr gelungen, und es wurde viel darüber
gelacht. Endlich nahm Herr Bouchard die unterzeichneten Erlasse
wieder fort. Rougon hatte sich erhoben, er fühlte Unruhe in den
Beinen, sagte er; Regentage regten ihn immer auf. Inzwischen
verging die Zeit: aus den Bureaus drang ein Summen herüber,
schnelle Schritte durchkreuzten die Nachbarzimmer, Türen wurden
geöffnet und geschlossen, während ein durch die Vorhänge gedämpftes
Flüstern durch die Räume lief. Es kamen noch mehr Beamte, um
Erlasse zur Unterzeichnung vorzulegen. Es war ein beständiges
Kommen und Gehen, die Verwaltungsmaschine in vollem Gange mit einer
unsagbaren Verschwendung von Papier, das aus einem Bureau in das
andere wanderte. Inmitten dieses Treibens hörte man ordentlich das
dumpfe, ergebene Schweigen der mehr als zwanzig Personen, die im
Vorzimmer unter Merles Augen schlummerten und warteten, bis Seine
Exzellenz sich herablassen werde, sie zu empfangen. Rougon
entwickelte, von allen diesen Leuten umgeben, eine fieberhafte
Tätigkeit, gab in einer Ecke halblaute Befehle, brach dann
plötzlich in heftige Worte gegen irgendeinen höheren Beamten aus,
verteilte die Arbeit und entschied die Angelegenheiten mit einem
Worte, – riesenhaft, unverschämt, Hals und Kopf von Kraft
strotzend.
    Da trat Merle ein mit seiner ruhigen

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