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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Abgangsprüfung bestehen werde.
Rougon hatte versprochen, ihn in sein Ministerium aufzunehmen,
obgleich das Reifezeugnis von allen seinen Beamten gefordert
wurde.
    »Ja, ja, bringen Sie ihn nur!« sagte er. »Ich werde mich über
die Förmlichkeiten hinwegsetzen. Ich werde ein Auskunftsmittel
suchen … Und er soll sogleich etwas bekommen, weil Sie es
wünschen.«
    Herr Béjuin blieb allein am Ofen. Er rollte seinen Sessel mitten
vor, ohne zu beachten, daß das Zimmer sich leerte. Er wartete immer
bis zuletzt, nachdem die anderen gegangen waren, und hoffte, es
werde ihm irgend etwas Vergessenes angeboten werden.
    Nunmehr bekam Merle von neuem den Befehl, den Präfekten der
Somme hereinzuführen. Anstatt jedoch zur Tür zu gehen, näherte er
sich dem Schreibtische und sprach mit liebenswürdigem Lächeln:
    »Wenn Eure Exzellenz gütigst gestatten wollen, werde ich mich
sogleich eines kleinen Auftrages entledigen.«
    Rougon stemmte beide Ellbogen auf seine Schreibmappe, um zu
hören.
    »Es ist die arme Frau Correur … Ich bin heute früh bei ihr
gewesen. Sie hütet das Bett; sie hat eine Geschwulst an sehr
ungelegener Stelle, dicker als die halbe Faust. Es ist nicht
gefährlich, doch leidet sie viele Schmerzen, weil sie eine gar so
feine Haut hat … «
    »Also?« fragte der Minister.
    »Ich habe selbst der Magd geholfen, sie umzuwenden. Indessen,
ich habe meinen Dienst … Sie ist sehr unruhig und wäre so gern gekommen, um den Bescheid Eurer
Exzellenz auf alle ihre Anliegen zu erfahren. Als ich ging, rief
sie mich zurück und sagte, ich würde sie sehr verbinden, falls ich
ihr heute abend, wenn ich vom Dienst käme, den Bescheid bringen
könnte … Würden Eure Exzellenz so gütig sein … ?«
    Der Minister wandte sich ruhig um und sagte:
    »Herr d'Escorailles, geben Sie mir doch den Aktenband da unten
aus dem Schranke.«
    Es war der Band Frau Correurs, eine ungeheure graue Mappe, die
von Papieren strotzte. Da waren Briefe, Pläne, Bittschriften in
allen Schriftgattungen und Orthographien: Gesuche um Tabaksläden,
um Stempelmarkenverschleiße, um Unterstützungen, Pensionen,
Gehaltszulagen. Alle diese losen Blätter trugen am Rande eine
Empfehlung von Frau Correur: fünf bis sechs Zeilen mit einer
kräftigen, fast männlichen Unterschrift.
    Rougon durchblätterte den Band und betrachtete die kurzen
Bemerkungen, die er mit Rotstift an den Rand der Briefe geschrieben
hatte.
    »Die Pension der Frau Jalaguier ist auf achtzehnhundert Franken
angesetzt. Frau Leturc hat ihren Tabaksladen … Die Lieferungen
Frau Chardons sind angenommen … Für Frau Testanière noch
nichts … Ah! sagen Sie ihr auch, daß ich die Angelegenheit des
Fräulein Herminie Billecoq erledigt habe. Ich habe von ihr
gesprochen; einige Damen werden die Mitgift zusammenschießen, die
zu ihrer Heirat mit dem Offizier, der sie verführt hat, nötig
ist.«
    »Ich danke Eurer Exzellenz tausendmal!« erwiderte Merle mit
einer Verbeugung.
    Er ging hinaus, als ein wunderhübscher Blondkopf, mit einem rosa
Hute bedeckt, in der Tür erschien.
    »Darf man eintreten?« flötete sie.
    Frau Bouchard trat ein, ohne die Antwort
abzuwarten. Sie hatte den Türsteher nicht im Vorzimmer gesehen und
war deshalb geradeaus gegangen. Rougon, der sie »mein liebes Kind«
nannte, hieß sie Platz nehmen, nachdem er ihre niedlichen, fein
behandschuhten Finger einen Augenblick zwischen den seinen gehalten
hatte.
    »Kommen Sie in einer ernsten Angelegenheit?« fragte er.
    »Gewiß, sehr ernst«, versetzte sie lächelnd.
    Darauf befahl er Merle, niemanden einzulassen. Herr
d'Escorailles, der seine Nägel inzwischen in Ordnung gebracht
hatte, begrüßte Frau Bouchard. Sie winkte ihm, sich herabzuneigen,
und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er nickte, ergriff seinen Hut und
sagte zu Rougon:
    »Ich gehe zum Frühstück; es liegt nichts Wichtiges vor …
Nur diese Inspektorstelle. Man müßte jemanden ernennen.«
    Der Minister schüttelte verlegen den Kopf und erwiderte:
    »Gewiß, jemand muß ernannt werden … Man hat mir schon eine
ganze Schar von Bewerbern vorgeschlagen. Aber es ist mir
langweilig, Leute zu ernennen, die ich nicht kenne.«
    Er blickte um sich, suchte in den Ecken des Zimmers, wie um dort
jemanden zu finden. Plötzlich fiel sein Blick auf Herrn Béjuin, der
noch schweigend und scheinheilig vor dem Ofen ausgestreckt lag, und
er rief:
    »Herr Béjuin!«
    Der Träumer öffnete langsam die Augen, ohne sich zu rühren.
    »Wollen Sie Inspektor werden? Eine

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