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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Bedeutung, welche die
Anwesenheit des Ministers dieser Feier, deren Einzelheiten er schon
erwägte, verleihen müsse.
    »Abgemacht also, ich rechne auf Sie beim ersten Spatenstich!«
sagte er, sich entfernend.
    Rougon saß wieder an seinem Schreibtische und las eine
Namensliste durch. Im Vorzimmer wuchs die Anzahl der Harrenden.
    »Ich habe kaum noch eine Viertelstunde Zeit!« murmelte er. »Ich
werde so viele empfangen, wie ich eben kann.«
    Er klingelte und befahl Merle:
    »Lassen Sie den Herrn Präfekten der Somme eintreten.«
    Aber er fügte, die Liste durchfliegend, sogleich hinzu:
    »Warten Sie noch! … Sind Herr und Frau Charbonnel da? Dann
lassen Sie sie kommen!«
    Man hörte den Diener rufen: »Herr und Frau Charbonnel!« Und die beiden Bürgersleute aus Plassans
erschienen, von den erstaunten Blicken der ganzen Versammlung
begleitet. Herr Charbonnel trug einen Frack mit viereckigen Schößen
und einem Samtkragen, seine Frau ein flohfarbenes Seidenkleid und
einen Hut mit gelben Bändern. Zwei Stunden lang hatten sie schon
geduldig gewartet.
    »Sie hätten mir Ihre Karte hereinschicken sollen. Merle kennt
Sie.«
    Ohne ihre mit »Eurer Exzellenz« gespickten Sätze zu Ende zu
hören, rief er vergnügt:
    »Viktoria! Der Staatsrat hat entschieden. Wir haben unsern
schrecklichen Bischof besiegt!«
    Die alte Dame wurde von ihrer Erregung übermannt, so daß sie
sich setzen mußte. Ihr Gatte stützte sich auf die Lehne eines
Stuhles.
    »Ich habe diese gute Nachricht schon gestern abend erfahren«,
fuhr der Minister fort. »Um sie Ihnen persönlich mitteilen zu
können, habe ich Sie hergebeten … Das ist doch ein fetter
Bissen, fünfhunderttausend Franken!«
    Er scherzte weiter, entzückt von ihrem fassungslosen Aussehen.
Frau Charbonnel konnte endlich mit halberstickter, bänglicher
Stimme die Frage hervorbringen:
    »Also es ist bestimmt entschieden? … Der Prozeß wird nicht
wieder anfangen?«
    »Nein, nein, verlassen Sie sich darauf. Die Erbschaft ist Ihr
Eigentum.«
    Darauf berichtete er Näheres. Der Staatsrat hatte die Schwestern
von der heiligen Familie nicht ermächtigt, die Erbschaft
anzutreten, weil natürliche Erben vorhanden seien; er hatte das
Testament für ungültig erklärt, weil es nicht alle Erfordernisse
der Echtheit aufwies. Der Bischof Rochart war wütend. Rougon, der
ihn am Abend vorher bei seinem Kollegen, dem Unterrichtsminister,
getroffen hatte, lacht« noch jetzt über
seine feindseligen Blicke. Sein Sieg über den geistlichen Herrn
ergötzte ihn sehr.
    »Sie sehen, er hat mich nicht verschluckt«, sagte er endlich.
»Ich bin ihm zu dick … Wir sind noch nicht fertig miteinander.
Ich habe es ihm an seinen Augen abgelesen. Der Mann wird nichts
vergessen. Aber das ist meine Sache.«
    Die Charbonnels erschöpften sich in Danksagungen und Bücklingen.
Sie sagten, sie würden noch am selben Abend abreisen. Sie waren
sehr beunruhigt; das Haus ihres Vetters Chevassu zu Faverolles
stand unter der Obhut einer alten, frommen Dienerin, die den
Schwestern von der heiligen Familie sehr ergeben war; vielleicht
werde ihr Haus auf die Nachricht vom Ausgange des Prozesses hin
ausgeplündert. Diese Nonnen waren zu allem fähig.
    »Ja, reisen Sie heute noch ab«, nahm der Minister wieder das
Wort. »Sollte etwas schief gehen, schreiben Sie mir.«
    Als er sie hinausgeleitete, bemerkte er das Erstaunen der
übrigen Harrenden; der Präfekt der Somme tauschte mit seinen
Kollegen ein Lächeln aus, die beiden Damen am Tische zogen
verächtlich die Lippen zusammen. Er sah es und rief mit erhobener
Stimme:
    »Also schreiben Sie mir ja! Sie wissen, wie sehr ich Ihnen
ergeben bin. Und wenn Sie nach Plassans kommen, sagen Sie meiner
Mutter, daß es mir gut geht!«
    Er geleitete sie auch noch durch das Vorzimmer, ohne sich ihrer
im geringsten zu schämen, dieser ganzen Gesellschaft zum Trotz;
sehr stolz darauf, daß er aus einer kleinen Stadt stammte und sie
jetzt so hoch stellen konnte, wie es ihm beliebte. Und die
Bittsteller wie die Beamten verneigten sich und grüßten das
flohfarbene Seidenkleid und die viereckigen Frackschöße der
Charbonnels.
    Als er in sein Kabinett zurückkehrte, hatte der Oberst sich
erhoben und sagte:
    »Auf Wiedersehen heute abend! Es wird hier
zu warm.«
    Darauf neigte er sich zum Minister und flüsterte ihm einige
Worte ins Ohr. Es handelte sich um seinen August, den er aus der
Schule zu nehmen im Begriffe stand, da er die Hoffnung aufgegeben
hatte, daß der Junge jemals die

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