Seine Exzellenz Eugène Rougon
Würde, von der alle
barschen Verweise abprallten.
»Der Herr Präfekt der Somme«, begann er.
»Schon wieder!« unterbrach ihn Rougon wütend.
Jener verbeugte sich und wartete, um dann fortzufahren:
»Der Herr Präfekt der Somme hat mich
gebeten, Eure Exzellenz zu fragen, ob Sie ihn heute vormittag
empfangen wollen. Wenn nicht, wolle Eure Exzellenz die Güte haben,
ihm eine Stunde für morgen zu bestimmen.«
»Ich werde ihn heute empfangen … Er möge sich ein wenig
gedulden, zum Teufel!«
Die Tür war offen geblieben, und man sah durch die Öffnung das
Vorzimmer, einen weiten Raum, in der Mitte einen langen Tisch und
an den Wänden eine Reihe roter Samtsessel. Alle diese Sessel waren
besetzt; zwei Damen standen am Tisch. Alle Köpfe wandten sich der
Tür zu, die Blicke glitten flehend in das Kabinett des Ministers,
alle mit dem Verlangen, einzutreten. Nahe der Tür saß der Präfekt
der Somme, ein kleiner, blasser Mann, und redete mit seinen beiden
Kollegen vom Jura und Cher. Da er Anstalten machte, sich zu
erheben, ohne Zweifel in dem Glauben, daß er endlich vorgelassen
werde, fuhr Rougon fort, zu Merle gewendet:
»In zehn Minuten, hören Sie? Augenblicklich kann ich niemanden
empfangen, durchaus niemanden.«
Aber während er noch redete, sah er Herrn Beulin d'Orchère das
Vorzimmer durchschreiten. Er eilte ihm entgegen, zog ihn in sein
Kabinett und rief:
»Bitte, treten Sie doch ein, lieber Freund I Sie sind eben
gekommen? Sie haben doch nicht zu warten brauchen? … Was gibt
es Neues?«
Damit schloß sich die Türe unter dem bestürzten Schweigen der
Insassen des Wartezimmers. Rougon und Herr Beulin d'Orchère redeten
in einem Fenster leise miteinander. Letzterer, kürzlich zum ersten
Präsidenten des Pariser Gerichtshofes ernannt, hatte den Ehrgeiz,
Justizminister zu werden, aber der Kaiser hatte sich auf eine
dahingehende Andeutung nicht geäußert.
»Gut, gut«, sagte der Minister lauter. »Die
Nachricht ist vorzüglich. Ich werde handeln, das verspreche ich
Ihnen.«
Eben hatte er ihn durch seine Gemächer hinausgeleitet, als Merle
erschien und ankündigte:
»Herr La Rouquette.«
»Nein, nein, ich bin beschäftigt, ich werde noch verrückt!« rief
Rougon und hieß den Diener mit einer nachdrücklichen Gebärde die
Tür schließen.
Herr La Rouquette hatte es sehr gut gehört; nichtsdestoweniger
trat er lächelnd ein und fragte, die Hände zum Gruße
ausstreckend:
»Wie geht es Eurer Exzellenz? Meine Schwester schickt mich.
Gestern in den Tuilerien sahen Sie etwas ermüdet aus … Sie
wissen, daß nächsten Montag in den Gemächern der Kaiserin Theater
gespielt werden soll. Meine Schwester wirkt auch mit. Combelot hat
die Kostüme gezeichnet. Sie kommen doch?«
Er blieb eine geschlagene Viertelstunde, Rougon um den Hart
gehend, ihn bald »Exzellenz«, bald »lieber Meister« nennend. Er
kramte einige Anekdoten über die kleinen Theater aus, empfahl eine
Tänzerin und bat um eine Fürsprache bei dem Direktor der
Tabakfabriken, um gute Zigarren zu bekommen. Endlich machte er über
Herrn von Marsy die schlechtesten Spaße.
»Er ist doch ein netter Junge«, erklärte Rougon, nachdem der
junge Abgeordnete gegangen war. »Ich will mein Gesicht, in das
Waschbecken tauchen; meine Wangen drohen vor Hitze zu platzen.«
Er verschwand hinter einer Portiere, und ein lautes Plätschern,
Schnaufen und Pusten wurde hörbar. Herr d'Escorailles hatte
inzwischen die eingelaufenen Briefe geordnet und holte eine kleine
Feile mit Schildpattgriff hervor, um sich damit säuberlich die
Nägel zu putzen. Herr Béjuin und der
Oberst starrten zur Decke empor, dermaßen in ihre Sessel versenkt,
als ob sie sie nie mehr zu verlassen gedächten. Herr Kahn blätterte
noch in dem Haufen Zeitungen, der neben ihm auf einem Tische lag.
Er wandte sich um, besah die Titel und warf sie beiseite. Dann
erhob er sich.
»Sie wollen fort?« fragte Rougon, der eben wieder erschien, sich
das Gesicht abtrocknend.
»Ja,« versetzte Herr Kahn, »ich habe die Blätter gelesen und
will gehen.«
Aber er hieß ihn warten, nahm ihn beiseite und kündigte ihm an,
daß er sich ganz sicher nächste Woche nach Deux-Sèvres begeben
werde, um bei der Eröffnung der Arbeiten für die Bahn von Niort
nach Angers anwesend zu sein. Er habe mehrere Gründe, dorthin zu
reisen. Herr Kahn war entzückt. Anfangs März hatte er endlich die
Konzession erhalten. Es handelte sich jetzt nur darum, die Arbeiten
in Gang zu bringen, und er fühlte die ganze
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