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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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trank
vormittags nur Wasser. Kaum zehn Worte
wechselten sie beim Essen. Als die beiden Lakaien abgeräumt und
Kaffee nebst Likören gebracht hatten, faltete die junge Frau ein
wenig die Brauen; er verstand es und sagte den Dienern:
    »Es ist gut. Gehen Sie! Ich werde klingeln.«
    Die Diener gingen. Darauf erhob sie sich und schüttelte von
ihrem Rocke die Krümel ab. Sie trug ein schwarzseidenes Kleid, das
zu weit, mit Volants besetzt und dermaßen verwickelt war, daß sie
darin ganz eingepackt schien und man nicht erkennen konnte, wo sich
ihre Hüften und ihr Busen befanden.
    »Welch eine Halle!« murmelte sie, den Raum durchschreitend. »Ihr
Speisesaal ist für Hochzeiten und große Gastmahle
eingerichtet!«
    Zurückkehrend fügte sie hinzu:
    »Ich möchte eine Zigarette rauchen!«
    »Teufel!« sagte Rougon, »ich habe keinen Tabak. Ich rauche
nie.«
    Sie aber blinzelte ihm zu und zog aus der Tasche ein Beutelchen
aus roter Seide, mit Gold gestickt, nicht größer als eine Börse.
Mit ihren zarten Fingerspitzen drehte sie eine Zigarette, und um
nicht klingeln zu müssen, jagten sie durch den ganzen Saal nach
Zündhölzchen. Endlich fanden sie drei auf der Ecke eines
Geschirrständers, und sie nahm sie sorgsam an sich. Dann begann
sie, die Zigarette im Munde und behaglich in ihrem Sessel
ausgestreckt, den Kaffee in kleinen Zügen hinunterzuschlürfen,
wobei sie Rougon lächelnd voll anblickte.
    »Ich stehe ganz zu Ihren Diensten«, sagte er, gleichfalls
lächelnd. »Sie haben zu plaudern, also plaudern wir.«
    Sie machte eine gleichgültige Gebärde und sagte:
    »Ja. Ich habe einen Brief von meinem Manne bekommen. Er ist sehr
glücklich, dank Ihnen mit dieser Sendung betraut zu sein; nur will er nicht, daß man ihn völlig im
Auslande vergesse … Doch wir werden darüber noch reden. Es hat
keine Eile.«
    Sie begann wieder zu rauchen und ihn mit ihrem erregenden
Lächeln anzusehen. Rougon hatte sich allmählich daran gewöhnt, sie
so zu sehen, ohne sich die Fragen vorzulegen, die einst seine
Neugier so lebhaft gereizt hatten. Sie gehörte jetzt mit zu seinen
Gewohnheiten; er nahm sie jetzt als eine bekannte und eingereihte
Erscheinung hin, deren Sonderbarkeiten ihn nicht im geringsten mehr
überraschten. In Wirklichkeit aber wußte er noch immer nichts
Genaues über sie; er kannte sie ebensowenig wie in den ersten
Tagen. Sie war vielseitig: kindisch und dabei unergründlich; oft
töricht, zuweilen außerordentlich scharfsinnig, sehr liebenswürdig
und sehr boshaft. Wenn sie ihn noch manchmal durch eine Gebärde,
ein unverstandenes Wort überraschte, hatte er dafür nur das
Achselzucken des überlegenen Mannes und sagte sich, alle Weiber
seien so. Damit glaubte er eine große Geringschätzung des
weiblichen Geschlechtes zu bezeigen; das verschärfte nur Clorindens
feines, grausames Lächeln, das nur die Spitzen ihrer Zähne zwischen
den roten Lippen zeigte.
    »Was sehen Sie mich denn so an?« fragte er endlich, durch die
großen Augen, die auf ihn gerichtet waren, belästigt. »Mißfällt
Ihnen etwas an mir?«
    Ein verhohlener Gedanke blitzte im Grunde von Clorindens Augen
auf, während zwei Falten ihrem Munde einen Ausdruck großer Härte
verliehen. Aber sie nahm sofort ihr bezauberndes Lächeln wieder an
und flüsterte, den Rauch in kleinen Ringeln fortblasend:
    »Nicht doch, Sie gefallen mir sehr gut … Ich dachte an
etwas, mein Lieber. Wissen Sie, daß Sie schreckliches Glück gehabt
haben?«
    »Wieso?«
    »Ganz gewiß … Sie stehen auf dem Gipfel, den Sie erreichen
wollten. Alle Welt hat Sie mitgeschoben, die Ereignisse selbst
haben Ihnen geholfen.«
    Er wollte antworten, da klopfte es an der Tür. Clorinde barg
unwillkürlich die Zigarette hinter ihrem Rock. Es war ein Beamter,
der Seiner Exzellenz eine sehr dringende Depesche überreichte.
Rougon las sie mit verdrießlichem Gesichte und gab dem Beamten an,
in welchem Sinne zu antworten sei. Dann schloß er die Tür heftig,
setzte sich wieder und sagte:
    »Ja, ich habe Freunde, die mir sehr ergeben sind. Ich bemühe
mich, es ihnen zu vergelten … Sie haben recht, ich habe selbst
den Ereignissen einiges zu danken. Der Mensch vermag oft nichts,
wenn die Tatsachen ihm nicht helfen.«
    Während er dies langsam sagte, blickte er sie unter den schweren
Lidern, die seine Augen fast verbargen, scharf an. Warum redete sie
von seinem Glück? Was wußte sie von den Ereignissen, die ihn
begünstigt hatten? Du Poizat hatte doch nicht geplaudert? Aber als
er sie so

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