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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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lächelnd und träumerisch dasitzen sah, ihre Züge wie von
einer sinnlichen Erinnerung bewegt, fühlte er, daß etwas anderes
sie beschäftigte; sicher wußte sie nichts. Er selbst vergaß es und
zog es vor, in seinem Gedächtnisse nicht zu forschen. Es gab in
seinem Leben eine Stunde, die schließlich ihm selbst sehr verworren
schien. Er glaubte, seine hohe Stellung wirklich den Bemühungen
seiner Freunde zu verdanken.
    »Ich wollte nichts sein, man hat mich wider Willen vorwärts
gedrängt«, fuhr er fort. »Schließlich hat sich alles zum Guten
gewendet. Wenn ich etwas Gutes zu wirken vermag, werde ich mich
befriedigt fühlen.«
    Er trank seinen Kaffee aus. Clorinde rollte ihre zweite
Zigarette.
    »Entsinnen Sie sich?« flüsterte sie. »Als
Sie vor zwei Jahren den Staatsrat verließen, fragte ich Sie nach
dem Grunde dieser Unbesonnenheit. Damals spielten Sie den
Duckmäuser, jetzt aber können Sie frei heraus reden… Sagen Sie mir
offen, haben Sie dabei einen bestimmten Plan gehabt?«
    »Einen Plan hat man immer«, versetzte er bedeutungsvoll. »Ich
fühlte, daß ich wankte, und tat den Sprung lieber selbst.«
    »Ist Ihr Plan gelungen? Haben die Dinge den Lauf genommen, den
Sie vorausgesehen haben?«
    Er blinzelte mit gemütlicher Schlauheit und versetzte:
    »Das nicht. Sie wissen wohl, die Dinge gehen niemals so, wie man
will. Wenn man nur sein Ziel erreicht!«
    Er unterbrach sich und bot ihr Likör an:
    »Curacao oder Chartreuse?«
    Sie nahm ein Gläschen von dem letzteren. Während er einschenkte,
klopfte es wieder. Sie verbarg ihre Zigarette wie vorhin mit einer
Gebärde der Ungeduld. Er erhob sich wütend, ohne die Flasche aus
der Hand zu lassen. Diesmal war es ein Brief mit großem Siegel. Er
durchflog ihn mit einem Blicke, steckte ihn in die Rocktasche und
sagte:
    »Gut. Jetzt aber wünsche ich, nicht mehr gestört zu werden.«
    Als er ihr gegenüber wieder Platz genommen, netzte sie ihre
Lippen in dem Gläschen, Tropfen für Tropfen schlürfend und den
Minister von unten her mit funkelnden Augen anschauend. Sie befand
sich wieder in einer weichen Stimmung, die ihr Gesicht verklärte.
Sie stützte beide Ellbogen auf den Tisch und sagte sehr leise:
    »Nein, mein Lieber, Sie werden niemals alles wissen, was man für
Sie getan hat.«
    Er rückte ihr näher, stützte sich ebenfalls
auf den Tisch und rief lebhaft:
    »Halt! Das wollten Sie mir erzählen! Jetzt ist keine
Geheimniskrämerei mehr am Platze, nicht wahr? … Sagen Sie mir,
was haben Sie getan?«
    Sie weigerte sich und bewegte lange das Kinn, indem sie fester
auf ihre Zigarette biß.
    »So schrecklich ist es? Fürchten Sie vielleicht, ich würde meine
Schuld nicht abtragen können? … Warten Sie, ich werde mich
aufs Raten verlegen … Sie haben dem Papst geschrieben und mir
einen Herrgott in meinen Wassertopf tauchen lassen, ohne daß ich es
merkte?«
    Sie aber wurde über diesen Spaß erzürnt und drohte zu gehen,
wenn er so fortfahre.
    »Lachen Sie nicht über die Religion!« sagte sie. »Das würde
Ihnen Unglück bringen.«
    Dann fuhr sie ruhiger fort, verjagte mit der Hand den Rauch, der
Rougon zu belästigen schien, und ihre Stimme nahm einen eigenen
Klang an, als sie sagte:
    »Ich habe viele Menschen aufgesucht und habe Ihnen Freunde
geworben.«
    Sie fühlte ein boshaftes Bedürfnis, ihm alles zu erzählen. Er
sollte wissen, in welcher Weise sie bei seinem Glücke mitgeholfen
hatte. Dies Geständnis war die erste Befriedigung ihres so lange
verhaltenen Grolles. Wäre er in sie gedrungen, hätte sie ihm alles
haarklein berichtet. Dieser Rückblick machte sie heiter, ein wenig
ausgelassen, und wärmte ihre Haut mit goldigem Schmelz.
    »Ja, ja,« wiederholte sie, »Leute, die Ihren Plänen sehr
feindlich gesinnt waren, habe ich für Sie erobern müssen, mein
Lieber.«
    Rougon wurde sehr bleich. Er hatte begriffen und sagte nur:
    »Ah!«
    Er suchte diesen Gegenstand zu vermeiden. Sie aber bohrte ihre
großen schwarzen Augen mit unverschämter Ruhe in die seinen und
lachte aus vollem Halse. Da gab er nach und bequemte sich zu
fragen:
    »Herrn von Marsy, nicht wahr?«
    Sie nickte und blies einen Mund voll Rauch über die
Schulter.
    »Den Ritter Rusconi?«
    Sie bejahte abermals.
    »Herrn Lebeau, Herrn von Salneuve, Herrn Guyot-Laplanche?«
    Sie bejahte auch dies. Herrn von Plouguern aber wollte sie nicht
zugeben. Den nicht. Und mit triumphierender Miene trank sie ihr
Gläschen langsam vollends aus.
    Rougon war aufgestanden. Er ging durch den

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