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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Erfüllung seines Willens auf später. Dann zeigte er
sich wieder sehr freundlich. Ja, als er auf die Erörterung
zurückkam, die im Ministerrate stattgehabt hatte, schien er Rougon
jetzt, wo er freier reden konnte, recht zu geben. Das Land war
entschieden noch nicht reif für die Freiheit. Noch lange Zeit mußte
eine energische Hand ohne eine Anwandlung von Schwäche die Dinge im
rechten Geleise erhalten. Zum Schlüsse wiederholte er dem Minister
die Versicherung seines vollen Vertrauen », er ließ ihm völlige Freiheit im Handeln und
bestätigte alle seine früheren Weisungen. Indessen glaubte Rougon
sich noch besser sichern zu müssen und sagte:
    »Majestät, ich möchte nicht von einer übelwollenden Äußerung
abhängig sein; ich bedarf der Stetigkeit, um die schwere Aufgabe zu
vollenden, für die ich heute verantwortlich bin.«
    »Herr Rougon,« erwiderte der Kaiser, »gehen Sie ohne Furcht
vorwärts, ich bin mit Ihnen.«
    Damit brach er die Unterhaltung ab und schritt auf die Tür zu,
der Minister folgte. Beide gingen hinaus und durch mehrere Zimmer,
um in den Speisesaal zu gelangen. Aber in dem Augenblicke, als sie
eintreten wollten, wandte der Herrscher sich um und zog Rougon in
die Ecke einer Galerie, wo er sagte:
    »Sie billigen also das vom Herrn Justizminister vorgeschlagene
System für den neuen Adel nicht? Ich möchte Sie gern diesem Plane
geneigt sehen. Überlegen Sie sich die Sache also.«
    Ohne die Antwort abzuwarten, fügte er mit seiner ruhigen
Hartnäckigkeit hinzu:
    »Doch hat es keine Eile; ich kann warten. Wenn nötig, zehn
Jähre.«
    Nach dem Frühstücke, das kaum eine halbe Stunde dauerte, begaben
sich die Minister in einen kleinen anstoßenden Salon, wo der Kaffee
gereicht wurde. Sie unterhielten sich dort stehend noch ein
Weilchen mit dem Kaiser, der sich in ihrer Mitte befand. Clorinde,
von der Kaiserin ebenfalls zurückgehalten, kam ihren Mann abholen,
mit der unternehmenden Haltung einer Frau, die in die Kreise der
Politiker geraten ist. Sie reichte mehreren der Herren die Hand.
Alle umdrängten sie, die Unterhaltung nahm eine andere Richtung.
Aber Seine Majestät zeigte sich gegenüber der jungen Frau so
galant, drängte sich mit langem Halse und
schielendem Blicke bald so dicht an sie, daß Ihre Exzellenzen es
angezeigter fanden, sich allmählich zurückzuziehen. Ihrer vier,
dann noch drei andere traten durch eine Fenstertüre auf die
Terrasse des Schlosses hinaus. Nur ihrer zwei blieben im Salon, um
den Schein zu retten. Der Staatsminister hatte mit einem
verbindlichen und leutseligen Ausdrucke in seinem hochmütigen
Edelmannsgesichte Delestang mit sich genommen und zeigte ihm von
der Terrasse das ferne Paris. Rougon stand in der Sonne, ebenfalls
ganz in den Anblick der Großstadt vertieft, die den ganzen Horizont
abschloß gleich einem bläulichen Gewölk über dem endlosen grünen
Felde des Boulogner Gehölzes.
    Clorinde strahlte diesen Morgen von Schönheit. Geschmacklos
gekleidet wie immer, ihr hellkirschfarbenes Kleid hinter sich
herschleifend, schien sie sich ihre Gewänder in aller Hast unter
dem Drange eines brennenden Verlangens umgehängt zu haben. Sie
lachte und bewegte lebhaft die Arme. Ihr ganzer Leib bot sich dar.
Auf einem Balle beim Marineminister, wo sie als Herzdame erschienen
war, Diamantherzen am Halse, an den Handgelenken und an den Knien,
hatte sie den Kaiser erobert, und seit jenem Abend schien sie seine
Freundin zu sein, die nur scherzte, wenn Seine Majestät sie schön
zu finden geruhte.
    »Sehen Sie, Herr Delestang,« sagte der Staatsminister draußen zu
seinem Kollegen, »da unten links die Kuppel des Pantheons schimmert
in einem außerordentlich zarten Blau.«
    Während der Gatte seine Bewunderung aussprach, suchte der
Minister neugierige Blicke durch die offen gebliebene Fenstertüre
in den kleinen Salon zu werfen. Der Kaiser redete, vornübergeneigt,
der jungen Frau gerade ins Gesicht; sie bog sich nach rückwärts,
wie um ihm zu entgehen, immerfort hell lachend. Man sah nur das
verschwimmende Profil Seiner Majestät, ein gespitztes Ohr, eine,
große, rote Nase, einen dicken, unter dem
dichten Schnurrbart fast verborgenen Mund; die zurücktretende
Backenfläche und der kaum sichtbare Augenwinkel verrieten eine
glühende Begehrlichkeit, das sinnliche Gelüst des Mannes, den der
Duft eines Weibes berauscht. Clorinde, berückend verführerisch,
weigerte sich mit einem unmerklichen Wiegen des Hauptes, während
ihr Atem bei jedem Lachen die so berechnet

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