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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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einem
Gebäude.
    »Gewiß, der Autoritätsgrundsatz darf nicht erschüttert werden,
aber man darf den öffentlichen Freiheiten auch nicht Tür und Tor
verschließen … Das Reich ist wie ein Asyl, ein weites und
prächtiges Haus, dessen unzerstörbare Grundlagen Seine Majestät mit
eigener Hand niedergelegt hat. Heute arbeitet sie noch daran, die
Mauern aufzuführen. Aber es wird ein Tag kommen, wo die Arbeit
vollendet ist, wo der Baumeister an die Krönung des Gebäudes denken
muß, und dann … «
    »Niemals!« rief Rougon heftig. »Alles würde
zusammenbrechen!«
    Der Kaiser streckte die Hand aus, um dem Wortstreite, ein Ende
zu machen. Er lächelte, als sei er aus einem Traume erwacht.
    »Gut, gut«, sagte er. »Wir sind von den laufenden Geschäften
abgekommen … Wir wollen sehen.«
    Und indem er sich erhob, sagte er:
    »Meine Herren, es ist spät geworden. Sie
werden im Schlosse frühstücken.«
    Die Sitzung war beendet. Die Minister schoben ihre Sessel
zurück, standen auf und verbeugten sich vor dem Kaiser, der sich
mit kleinen Schritten zurückzog. Aber Seine Majestät wandte sich
noch einmal um und murmelte:
    »Herr Rougon, auf ein Wort, bitte.«
    Während der Herrscher Rougon in eine Fensternische zog, drängten
sich Ihre Exzellenzen in der entgegengesetzten Ecke um Delestang.
Sie beglückwünschten ihn verstohlen, augenzwinkernd, mit
verständnisvollem Lächeln, einem dumpfen Murmeln beifälligen Lobes.
Der Staatsminister, ein scharfsinniger und erfahrener Mann, zeigte
sich besonders eifrig; er vertrat den Grundsatz, daß die
Freundschaft der Dummen Glück bringt. Delestang verneigte sich bei
jedem Komplimente bescheiden und gemessen.
    »Nein, kommen Sie lieber mit!« sagte der Kaiser zu Rougon.
    Er entschloß sich dazu, ihn in sein Arbeitszimmer zu führen, ein
ziemlich enges Gemach, wo Zeitschriften und Bücher auf allen Möbeln
umherlagen. Dort zündete er sich eine Zigarette an, zeigte Rougon
das verkleinerte Modell eines neuen Geschützes, das ein Offizier
erfunden hatte; es sah aus wie ein Kinderspielzeug. Er nahm einen
sehr wohlwollenden Ton an und schien dem Minister beweisen zu
wollen, daß er ihm seine ganze Gunst bewahrt habe. Rougon witterte
indessen eine Erklärung. Er wollte zuerst sprechen.
    »Ich weiß, wie heftig ich vor Eurer Majestät angegriffen werde«,
sagte er.
    Der Kaiser lächelte, ohne zu antworten. Der Hof hatte in der Tat
einen neuen Sturmlauf gegen ihn unternommen. Man klagte ihn jetzt
an, er mißbrauche seine Gewalt und kompromittiere das Kaiserreich
durch seine Schroffheit. Die
unglaublichsten Geschichten wurden ihm zur Last gelegt, die Gänge
des Schlosses widerhallten von Anekdoten und Klagen, deren Echo
jeden Morgen in das Gemach des Kaisers drang.
    »Setzen Sie sich, Herr Rougon, setzen Sie sich!« sagte er
endlich gütig.
    Dann setzte er sich selbst und fuhr fort:
    »Man betäubt mir die Ohren mit einer Menge Geschichten. Ich
möchte mit Ihnen darüber reden … Was ist es mit diesem Notar,
der infolge seiner Verhaftung in Niort gestorben ist? Ein Herr
Martineau, wenn ich nicht irre?«
    Rougon gab ruhig nähere Auskunft. Dieser Martineau war ein sehr
verdächtiger Mensch, ein Republikaner, dessen Einfluß im Kreise zu
einer großen Gefahr werden konnte. Er war verhaftet worden und
hernach gestorben.
    »Ja, eben daß er tot ist, das ist das Ärgerliche«, nahm der
Herrscher wieder das Wort. »Die gegnerischen Blätter haben sich des
Falles bemächtigt, sie berichten darüber in einer geheimnisvollen
Art mit Lücken, die das Schlimmste ahnen lassen und den
beklagenswertesten Eindruck machen … Ich bin über das alles
sehr bekümmert, Herr Rougon.«
    Er schwieg einige Sekunden, die Zigarette an die Lippen geklebt,
dann fuhr er fort:
    »Sie sind kürzlich in Deux-Sèvres gewesen, Sie haben dort einer
Feierlichkeit beigewohnt … Sind Sie, der finanziellen
Sicherheit des Herrn Kahn gewiß?«
    »Oh, unbedingt gewiß!« rief Rougon.
    Darauf begann er wieder Erklärungen zu geben. Herr Kahn stütze
sich auf eine sehr reiche englische Gesellschaft, die Aktien der
Bahn Niort-Angers würden an der Börse mit Aufgeld gehandelt, es sei
das beste Geschäft, das sich denken lasse. Der Kaiser schien
ungläubig.
    »Man hat vor mir Befürchtungen ausgedrückt«,
murmelte er. »Sie begreifen, welches
Unglück es wäre, wenn Ihr Name in einen Krach verwickelt
würde … Indessen, da Sie mich des Gegenteiles
versichern … «
    Er brach diesen zweiten Gegenstand ab und ging zum

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