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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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hierauf nachdrücklich hinzuweisen,
denn die folgenden Katastrophen würden entsetzlich sein.
Unbeschränkte Freiheit ist in einem Lande nicht möglich, wo eine
Partei hartnäckig die Hauptgrundlagen der Regierung verkennt. Es
wird noch lange Jahre dauern, bis die unbeschränkte Gewalt sich
allen fühlbar macht, die Erinnerung an die früheren Kämpfe austilgt
und so unanfechtbar wird, daß sie sich in Frage stellen lassen
darf. Außerhalb des in seiner ganzen Strenge angewandten
Autoritätsprinzipes gibt es für Frankreich kein Heil. Der Tag, an
dem Eure Majestät glauben, dem Volke die harmloseste Freiheit
zugestehen zu sollen, wird Sie für die ganze Zukunft binden. Eine
Freiheit ist nichts ohne eine andere Freiheit, dann kommt eine
dritte Freiheit und fegt alles fort, die staatlichen Einrichtungen
und die Herrscherfamilien. Das ist die unversöhnliche Maschine, das
mitleidlose Räderwerk, das die Fingerspitze ergreift, die Hand, den
Arm verschlingt und endlich den ganzen Körper zermalmt. Da ich mir
erlaube, hierüber frei herauszureden, füge ich noch hinzu: der
Parlamentarismus hat eine Monarchie getötet, man darf ihm nicht
noch ein Kaiserreich zum Opfer hinwerfen. Der gesetzgebende Körper
spielt schon wieder eine viel zu geräuschvolle Rolle. Man lasse ihm
künftig durchaus keinen Einfluß auf die leitende Politik des
Herrschers; das würde die Quelle der lärmendsten und
beklagenswertesten Erörterungen sein. Die letzten allgemeinen
Wahlen haben wieder einmal die ewige Dankbarkeit des Landes
bewiesen; nichtsdestoweniger hat es fünf Kandidaturen gegeben,
deren skandalöser Erfolg zur Warnung dienen sollte. Heute ist die
große Frage die: die Bildung einer Oppositionsminderheit zu
verhindern, und besonders, falls sie sich dennoch bildet, ihr nicht
Waffen in die Hand zu geben, womit sie die Regierung noch
unverschämter bekämpfen könne. Ein
Parlament, das schweigt, ist ein Parlament, das arbeitet … Was
die Presse betrifft, Majestät, so verwandelt sie die Freiheit in
Zügellosigkeit. Seit meinem Eintritte in das Ministerium habe ich
aufmerksam die Berichte gelesen; und empfinde jeden Morgen Ekel
darüber. Die Presse ist das Sammelbecken aller ekelerregenden
Gärungsstoffe. Sie hegt die Revolutionen, sie bleibt der stets
brennende Herd, an dem sich die Feuersbrünste entzünden. Sie wird
erst dann Nutzen stiften, wenn man sie gebändigt hat und ihre Kraft
als ein Hilfsmittel der Regierung verwenden kann … Ich rede
nicht von den anderen Freiheiten, der Vereinsfreiheit, der
Versammlungsfreiheit, der Freiheit, alles zu tun. Man erbittet sie
achtungsvoll in den ›Vorleseabenden des wackeren Jakob‹; später
wird man sie fordern. Das sind meine Besorgnisse. Glauben mir Eure
Majestät, Frankreich muß noch lange die Wucht eines eisernen Armes
auf seinem Nacken fühlen … «
    Er wiederholte sich, er verteidigte seine Macht mit wachsender
Erregung. Fast eine Stunde lang fuhr er so fort im Schutze des
Autoritätsgrundsatzes, sich damit deckend, sich darin einhüllend
wie ein Mann, der sich die ganze Widerstandsfähigkeit seiner
Rüstung zunutze macht. Trotz seiner anscheinenden
Leidenschaftlichkeit bewahrte er doch Kaltblütigkeit genug, seine
Kollegen zu beobachten, um auf ihren Gesichtern den Eindruck seiner
Worte zu verfolgen. Sie saßen bleich, regungslos da. Plötzlich
schwieg er:
    Ein ziemlich langes Schweigen folgte. Der Kaiser hatte sein
Spiel mit dem Papiermesser wieder aufgenommen.
    »Der Herr Minister des Innern sieht die Lage Frankreichs in zu
düsterem Lichte«, sagte endlich der Staatsminister. »Nichts bedroht
nach meiner Ansicht unsere staatlichen Einrichtungen. Die Ordnung
ist vollkommen. Wir können uns auf die
hohe Weisheit Seiner Majestät verlassen. Es würde selbst Mangel an
Vertrauen in sie bezeugen, wollte man Befürchtungen äußern.«
    »Ganz gewiß, ganz gewiß!« murmelten mehrere Stimmen.
    »Ich möchte hinzufügen,« sagte seinerseits der Minister des
Auswärtigen, »daß Frankreich in Europa niemals mehr geachtet war
als jetzt. Überall im Auslande huldigt man der festen und würdigen
Politik Seiner Majestät. Nach der Ansicht der Staatskanzleien ist
unser Vaterland für immer in einen Zeitraum des Friedens und der
Größe eingetreten.«
    Keiner der Herren dachte übrigens daran, das von Rougon
verteidigte politische Programm anzugreifen. Die Blicke wandten
sich Delestang zu. Dieser begriff, was man von ihm erwartete. Er
fand zwei bis drei Phrasen und verglich das Reich mit

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