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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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entzündete Begier noch
mehr anfachte.
    Als Ihre Exzellenzen in den Salon zurückkehrten, sagte die junge
Frau, sich erhebend, ohne daß man wußte, worauf sie antwortete:
    »Oh, Majestät, verlassen Sie sich nicht darauf, ich bin
störrisch wie ein Maultier!«
    Trotz seines Zwistes kehrte Rougon mit Delestang und Clorinde
nach Paris zurück. Letztere schien ihren Frieden mit ihm machen zu
wollen. Die nervöse Unruhe, die sie unangenehme Gegenstände der
Unterhaltung suchen ließ, war von ihr gewichen; sie blickte ihn
zuweilen sogar mit einer Art lächelnden Mitleides an. Als der
Landauer in dem sonnengebadeten Gehölze am See sanft dahinrollte,
streckte sie sich aus und flüsterte mit einem Seufzer des
Entzückens:
    »Oh, der schöne Tag! Wie schön ist es heute!«
    Nachdem sie einen Augenblick träumerisch dagesessen, fragte sie
ihren Gatten:
    »Ist deine Schwester, Frau Combelot, noch immer in den Kaiser
verliebt?«
    »Henriette ist toll!« versetzte er achselzuckend.
    Rougon teilte näheres mit und sagte:
    »Ja, ja, noch immer. Sie soll sich eines Abends Seiner Majestät
zu Füßen geworfen haben … Er hat sie aufgehoben und ihr
geraten, noch zu warten … «
    »Ja wahrhaftig, sie kann warten!« rief Clorinde vergnügt.
»Andere kommen vor ihr an die Reihe.«

Kapitel 12
     
    Clorinde stand damals auf dem Gipfel ihrer Sonderlichkeiten und
ihrer Macht. Sie blieb das exzentrische Mädchen, das Paris auf
einem Mietgaule durchritt, um einen Mann zu suchen; aber das
Mädchen war eine Frau geworden mit stärkerer Brust und festen
Hüften, die bedächtig die seltsamsten Taten vollbrachte, nachdem
sie ihren lange gehegten Traum erfüllt sah und eine Macht geworden
war. Ihre endlosen Reisen nach den entlegensten Stadtvierteln, ihre
Briefe, womit sie Frankreich und Italien überschwemmte, ihre
beständige Berührung mit politischen Persönlichkeiten, in deren
vertraute Kreise sie sich einzuschmeicheln wußte, diese ganze
regel- und ziellose, lückenhafte Tätigkeit hatte ihr schließlich
einen wirklichen, unbestreitbaren Einfluß verschafft. Sie brachte
noch immer Ungeheuerlichkeiten, tolle Pläne und ausschweifende
Hoffnungen vor, wenn sie ernst redete; sie führte noch immer ihre
riesige, aufgeplatzte und mit Bindfaden wieder zusammengeheftete
Mappe spazieren, sie trug sie wie ein Wickelkind in den Armen in
einer so überzeugten Art, daß die Vorübergehenden lächelten, wenn
sie sie in langen, schmutzigen Röcken so dahineilen sahen. Dennoch
fragte man sie um Rat, fürchtete sie sogar. Niemand hätte genau
sagen können, woher sie ihre Macht nahm, sie hatte entlegene,
vielfache, unsichtbare Quellen, denen nachzuspüren sehr schwierig
war. Man wußte höchstens Bruchstücke einer Geschichte, Anekdoten,
die man sich ins Ohr flüsterte. Das Gesamtbild dieser
sonderbaren Erscheinung war nicht zu
fassen: verworrene Einbildungskraft, gesunder Menschenverstand, dem
man das Ohr lieh, und ein prächtiger Körper, worauf vielleicht das
ganze Geheimnis ihrer Herrschaft beruhte. Übrigens kam auf die
unsichtbaren Triebfedern ihres Erfolges nicht viel an. Es genügte,
daß sie herrschte, wenngleich als phantastische Herrscherin. Man
neigte sich vor ihr.
    Die junge Frau hatte um diese Zeit ihren selbsterrichteten Thron
bestiegen. Sie vereinigte in ihrem Ankleidezimmer, wo schlecht
getrocknete Waschbecken umherstanden, die ganze Politik der
europäischen Höfe. Früher als die Gesandtschaften erhielt sie, ohne
daß man ahnte auf welchem Wege, Nachrichten, ausführliche Berichte,
worin sich die leisesten Pulsschläge des Lebens der Regierungen
mitgeteilt fanden. Auch hatte sie einen Hof: Bankiers, Diplomaten
und Vertraute, die kamen, um sie auszuholen. Die Bankiers huldigten
ihr ganz besonders. Sie hatte einen von ihnen auf einmal hundert
Millionen gewinnen lassen durch die bloße vertrauliche Mitteilung
von einem bevorstehenden Ministerwechsel in einem Nachbarstaate.
Sie verachtete diese Geschäfte der gemeinen Politik, sie teilte
alles, was sie wußte, mit: den Klatsch der Diplomatie, den
internationalen Tratsch der Großstädte, nur weil es ihr Vergnügen
machte, zu sprechen und zu zeigen, daß sie zugleich Turin, Wien,
Madrid, London, selbst Berlin und St. Petersburg überwachte. Dann
war sie unerschöpflich, in Nachrichten über die Gesundheit der
Könige, ihre Liebschaften, ihre Gewohnheiten, über die politischen
Persönlichkeiten jedes Landes, über die Skandalchronik des
kleinsten deutschen Herzogtums. Sie beurteilte die

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