Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
vier Uhr kommen. Er soll warten …
Machen Sie mir ein Bad zurecht!«
    Und sie streckte sich gemächlich in der Badewanne aus, die
hinter einem Vorhang im Hintergrunde des Gemaches stand. Dort las
sie die während ihrer Abwesenheit eingelaufenen Briefe. Nach einer
guten halben Stunde erschien Antonia wieder und murmelte:
    »Der Herr hat Sie heimkehren sehen. Er möchte Sie gerne
sprechen.«
    »Richtig, der Baron! Ich habe ihn ganz vergessen«,
sagte Clorinde, sich mitten in der Wanne
erhebend. »Kleiden Sie mich an!«
    Sie hatte aber an diesem Abende unerhörte Toilettelaunen.
Während sie sich sonst vernachlässigte, hatte sie zuweilen Anfälle
von Vergötterung ihres Körpers. Dann erfand sie die ausgesuchtesten
Putzmittel; nackt vor ihrem Spiegel stehend, ließ sie sich die
Glieder mit Salben, Balsam, duftenden Ölen reiben, die nur sie
kannte, und die, wie sie sagte, ihr ein befreundeter Diplomat in
Konstantinopel beim Salbenhändler des Harems gekauft habe. Während
Antonia sie einrieb, nahm sie die Haltung einer Statue an. Das
sollte ihr eine weiße, glatte und gleich dem Marmor unzerstörbare
Haut geben; besonders ein gewisses Öl, von dem sie selbst die
Tropfen auf einen Lappen Flanell abzählte, hätte die wunderbare
Eigenschaft, sofort die geringsten Runzeln zu beseitigen. Dann
untersuchte sie ihre Hände und Füße auf das genaueste. Sie hätte
sich einen ganzen Tag so anbeten können.
    Nach dreiviertel Stunden jedoch, als Antonia ihr ein Hemd und
einen Rock angelegt hatte, erinnerte sie sich plötzlich und
rief:
    »Und der Baron! … Ah, um so schlimmer, lassen Sie ihn
eintreten! Er weiß recht gut, wie eine Frau beschaffen ist.«
    Herr von Reuthlinger wartete seit mehr als zwei Stunden,
geduldig im Zimmer sitzend, die Hände über den Knien gefaltet.
Blaß, kühl, sittenstreng, wartete der Bankier, der eines der
größten Vermögen Europas sein nannte, in dieser Weise wöchentlich
zwei-, dreimal im Vorzimmer Clorindens. Er lud sie selbst zu sich
in seine keusche und frostig-strenge Wohnung, wo die
Ausgelassenheit der jungen Frau die Diener bestürzt machte.
    »Guten Tag, Herr Baron!« rief sie. »Ich lasse mich eben kämmen,
schauen Sie nicht her!«
    Sie blieb halb nackt sitzen, das Hemd war
ihr von den Schultern geglitten. Die blassen Lippen des Barons
verzogen sich zu einem nachsichtigen Lächeln, und er trat mit
kalten und klaren Augen neben sie, um sie mit ausgesuchter
Höflichkeit zu begrüßen.
    »Sie kommen wegen Ihrer Nachrichten? Ich habe gerade etwas
erfahren.«
    Sie erhob sich und schickte Antonia hinaus, die ihr den Kamm im
Haare stecken ließ. Sie mußte auch so noch fürchten belauscht zu
werden, denn sie erhob sich, legte eine Hand auf seine Schulter und
flüsterte ihm ins Ohr. Des Bankiers Augen ruhten, indem er ihr
lauschte, auf ihrem Busen, der sich ihm entgegenstreckte, aber er
sah ihn gewiß gar nicht; er nickte nur lebhaft.
    »So!« schloß sie laut. »Jetzt können Sie gehen.«
    Er ergriff wieder ihren Arm und zog sie an sich, um noch gewisse
Erläuterungen zu erbitten. Er hätte nicht ungezwungener mit einem
seiner Angestellten verfahren können. Als er ging, lud er sie für
den folgenden Tag zum Essen ein; seine Frau langweile sich, weil
sie so selten komme. Sie begleitete ihn bis zur Tür. Dann aber
kreuzte sie die Arme über der Brust und rief, ganz rot:
    »Ach, nicht übel, wie ich da mit Ihnen laufe!«
    Dann trieb sie Antonia zur Eile an. Dieses Frauenzimmer wurde
niemals fertig! Sie ließ ihr kaum Zeit, ihr das Haar zu machen,
indem sie sagte, sie liebe die Trödelei bei ihrer Toilette nicht.
Trotz der Jahreszeit wollte sie ein langes, schwarzes Samtkleid
anziehen, eine Art weiter Bluse, die eine rote Seidenschnur um die
Taille zusammenhalten sollte. Schon zweimal war ihr gemeldet
worden, das Essen sei angerichtet. Als sie jedoch ihr Zimmer
durchschritt, fand sie darin drei Herren, deren Anwesenheit an
diesem Orte niemand ahnte. Es waren die drei politischen
Flüchtlinge, die Herren Brambilla,
Staderino und Viscardi. Sie schien keineswegs überrascht, ihnen da
zu begegnen und fragte:
    »Warten Sie schon lange?«
    »Ja, ja«, erwiderten sie, langsam den Kopf wiegend.
    Sie waren noch vor dem Bankier gekommen. Und sie hatten nicht
das geringste Geräusch verursacht, da politisches Unglück sie
schweigsam und bedächtig gemacht hatte. So kauten sie, auf
demselben Sofa in gleicher Stellung nebeneinander sitzend, an ihren
dicken, erloschenen Zigarren. Jetzt hatten sie sich

Weitere Kostenlose Bücher