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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sich her. Man würde ihm alles verziehen haben: seine
Mißbräuche mit der Gewalt, den Heißhunger seiner Freunde, das
Erwürgen des Landes; aber daß er die Gendarmen aussandte, damit sie
selbst die Bettstätten der Nonnen durchsuchen: das war ein so
ungeheuerliches Verbrechen, daß die Damen am Hofe einen Schauer
heuchelten, wenn er vorüberkam. Der Bischof Rochart machte in allen
Kreisen einen ungeheuren Lärm; man erzählte, er sei bis zur
Kaiserin gegangen. Der Skandal schien übrigens durch eine Handvoll
geschickter Leute genährt zu werden; es liefen Losungsworte um;
dieselben Gerüchte erhoben sich auf allen Seiten gleichzeitig in
seltener Übereinstimmung. Inmitten der wütenden Angriffe blieb
Rougon anfangs ruhig und heiter. Er zuckte seine mächtigen
Schultern und nannte das ganze Vorkommnis »eine Dummheit«. Ja, er
scherzte sogar. Auf einer Abendunterhaltung bei dem Justizminister
ließ er das Wort fallen: »Ich habe nicht einmal erzählt, daß in
einem der Strohsäcke ein Pfaffe gefunden wurde.« Die Bemerkung
wurde weiter erzählt, die Entrüstung über diese Gottlosigkeit
erreichte den Gipfelpunkt und es folgte ein neuer Wutausbruch. Da
geriet auch er allmählich in Zorn; die Geschichte wurde ärgerlich.
Die Nonnen waren Diebinnen, da man silberne Schüsseln und Becher
bei ihnen gefunden hatte. Er machte Miene, die Angelegenheit weiter
zu verfolgen, er setzte sich noch mehr dafür ein und sprach davon, den ganzen Klerus von
Faverolles vor die Gerichte zu stellen.
    Eines Morgens ließen zu früher Stunde die Charbonnels sich bei
ihm melden. Er war sehr erstaunt; er wußte nicht, daß sie in Paris
seien. Als er sie erblickte, rief er ihnen zu, daß die Dinge sehr
gut stünden. Er habe erst am Tage vorher dem Präfekten Weisungen
zugesandt, daß er das Gericht auffordere, sich der Angelegenheit
anzunehmen. Doch Herr Charbonnel schien bestürzt; und Frau
Charbonnel ihrerseits rief aus:
    »Nein, nein, das wollen wir nicht … Sie sind zu weit
gegangen, Herr Rougon. Sie haben uns schlecht verstanden.«
    Beide ergingen sich in Lobeserhebungen über die Schwestern von
der heiligen Familie. Es seien sehr fromme Frauen; sie – die
Charbonnels – hätten vielleicht einen Augenblick Klage gegen sie
führen können; aber niemals seien sie so tief gesunken, die Nonnen
solch schmählicher Handlungen zu zeihen. Übrigens habe ganz
Favorelles ihnen die Augen geöffnet, so sehr achte dort die ganze
Gesellschaft die frommen Schwestern.
    »Sie würden uns das größte Unrecht zufügen, Herr Rougon,« schloß
Frau Charbonnel, »wenn Sie fortfahren, die Religion zu verfolgen.
Wir sind gekommen, Sie zu bitten, sich ruhig zu verhalten …
Die Leute in Faverolles können doch nicht wissen … Sie
glaubten, daß wir Sie drängen und würden schließlich mit Steinen
nach uns geworfen haben … Wir haben dem Kloster ein schönes
Geschenk gemacht, ein Kruzifix von Elfenbein, das am Fußende des
Bettes unseres armen Vetters gehangen hat.«
    »Kurz, Sie sind gewarnt«, sagte Herr Charbonnel. »Die Sache geht
jetzt Sie allein an; wir haben nichts mehr damit zu tun.«
    Rougon ließ sie reden. Sie schienen sehr verdrossen
über ihn und schrien ihn schließlich an.
Er fühlte, wie ihm die Kälte im Nacken aufstieg. Er betrachtete
sie, von einer plötzlichen Mattigkeit ergriffen, als sei ihm
abermals etwas von seiner Kraft genommen worden. Er stritt übrigens
nicht und versprach ihnen, nicht mehr zu handeln. In der Tat ließ
er die Angelegenheit fallen.
    Seit einiger Zeit lastete übrigens noch ein anderer Skandal auf
ihm, ein Skandal, mit dem sein Name mittelbar in Verbindung stand.
Ein schreckliches Drama hatte sich in Goulonges ereignet. Du
Poizat, der in seinem Eigensinn seinem Vater auf den Rücken steigen
wollte, wie Gilquin sich ausdrückte, war eines Morgens wieder
erschienen, um an der Türe des Geizigen zu pochen. Fünf Minuten
später hörten die Nachbarn Gewehrschüsse und ein furchtbares
Geschrei in dem Hause. Als man eindrang, fand man den Greis mit
gespaltetem Schädel am Fuße der Treppe ausgestreckt; im Flur lagen
zwei abgeschossene Flinten. Du Poizat erzählte schreckensbleich,
daß sein Vater, als er ihn auf die Treppe zukommen sah, wie toll zu
schreien angefangen habe: ›Diebe! Diebe‹ und zwei Schüsse aus
unmittelbarer Nähe gegen ihn abgefeuert habe. Er zeigte sogar, daß
sein Hut von einer Kugel durchlöchert sei. Dann – so erzählte er
weiter – sei sein Vater rücklings hingefallen und habe sich an

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