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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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fand den Marquis und die Marquise
so, wie er sie ehemals gekannt hatte zur Zeit, als er auf dem
Pflaster von Plassans darbte: hochmütig, stolz, unverschämt. Hätten
andere so mit ihm geredet, er würde sie gewiß zur Türe
hinausgeworfen haben. Aber er war verlegen, gekränkt, gedemütigt.
Seine in Armut verflossene Jugend sah er wieder auftauchen; er
glaubte einen Augenblick, noch seine schlechten, schief getretenen
Stiefel von ehemals an den Füßen zu haben. Er versprach, Julius zu
einer Entscheidung zu bringen. Dann begnügte er sich hinzuzufügen,
indem er auf die erwartete Antwort des Kaisers anspielte:
    »Übrigens, Madame, wird Ihnen Ihr Sohn vielleicht schon heute
abend wiedergegeben sein.«
    Als er wieder allein war, fühlte sich Rougon
von Furcht ergriffen. Diese Alten hatten seine Ruhe erschüttert. Er
zögerte jetzt, bei dem Wohltätigkeitsbazar zu erscheinen, wo alle
Augen seine Verlegenheit ihm von der Stirne ablesen würden. Aber er
schämte sich dieser kindischen Furcht. Er brach auf, schritt durch
sein Kabinett und fragte Merle, ob nichts für ihn gekommen sei.
    »Nein, Exzellenz«, antwortete in gewichtigem Tone der Türsteher,
der seit dem Morgen auf etwas zu lauern schien.
    Die Orangerie in den Tuilerien, wo der Wohltätigkeitsbazar
stattfinden sollte, war für diese Gelegenheit sehr prächtig
geschmückt worden. Eine Tapete von rotem Samt mit Goldfransen
verhüllte die Mauern, verwandelte die weite, kahle Galerie in einen
hohen Prunksaal. An einem Ende war ein riesiger Vorhang –
gleichfalls von rotem Samt – angebracht, der die Galerie quer
durchzog und so einen Teil des Raumes zu einem Zimmer absonderte.
Dieser Vorhang, von Spangen mit riesigen Goldtroddeln festgehalten,
war weit geöffnet und gestattete so den Verkehr zwischen dem großen
Saale, wo die Verkaufsstände aneinandergereiht waren, mit dem
kleineren Räume, wo ein Büfett aufgeschlagen war. Der Fußboden war
mit feinem Sande bestreut. In jedem Winkel standen grüne Pflanzen
in großen Majolikakübeln. In der Mitte des Vierecks, das die
Verkaufsstände bildeten, stand ein Rundpuff, einer niedrigen
Sitzbank von rotem Samt mit stark gebogener Rückenlehne gleichend;
aus der Mitte des Puffs stieg ein riesiger Strahl von Blumen auf,
ein Rund von Stengeln, unter denen Rosen, Nelken, Eisenkraut gleich
einem Regen leuchtender Tropfen niederfielen. Vor den weit offenen
Glastüren standen auf der nach dem Flusse gelegenen Terrasse
Türsteher in schwarzem Frack und prüften mit raschem Blick die
Eintrittskarten der ankommenden Gäste.
    Die Leiterinnen rechneten vor vier Uhr nicht
auf viele Gäste. Im großen Saale hinter ihren Verkaufspulten
stehend, harrten sie der Käufer. Auf den langen, mit rotem Tuche
bedeckten Tischen lagen die Waren ausgebreitet; es waren mehrere
Pulte mit Pariser und chinesischen Artikeln da, zwei Läden mit
Kinderspielzeug, ein Blumenstand mit Rosen, endlich unter einem
Zelte ein Glücksrad ganz wie auf den Jahrmärkten. Die
Verkäuferinnen in dekolletierten Konzerttoiletten benahmen sich
anmutsvoll wie richtige Geschäftsdamen, lächelten nach Art einer
Modistin, die einen alten Hut loswerden will, mit einem
einschmeichelnden Tonfall der Stimme, schwatzten, priesen ihre
Artikel an, ohne etwas davon zu verstehen. Bei diesem Spiel von
Ladenmamsellen wurden sie allmählich kühner, gekitzelt von den die
ihren streifenden Händen der erstbesten Käufer. Eine Prinzessin
hielt einen Spielzeugladen; gegenüber verkaufte eine Marquise
Geldtäschchen zu neunundzwanzig Sous, die sie nicht unter zwanzig
Franken abgab; sie waren Nebenbuhlerinnen, setzten ihre Schönheit
für die größere Einnahme ein, suchten die Kunden zu ködern, riefen
die Männer herbei, forderten unverschämte Preise; nachdem sie
wütend gefeilscht hatten wie betrügerische Metzgerinnen, gaben sie
ein Stück ihrer selbst obendrein, ihre Fingerspitzen, den Anblick
ihres weit offenen Leibchens, um die großen Käufe zu entscheiden.
Die Wohltätigkeit war der Vorwand. Allmählich füllte sich der Saal.
Einzelne Herren blieben ruhig stehen, prüften die Waren, als ob
diese mit zur Schaustellung gehörten. Vor gewissen Verkaufspulten
drängten sich sehr elegante junge Leute, trieben ihre Spaße, gingen
bis zu sehr gewagten Anspielungen auf ihre Einkäufe; während die
Damen in ihrer unerschöpflichen Liebenswürdigkeit von dem einen zum
andern gingen und überall mit derselben Miene des Entzückens den
Inhalt ihres Ladens anboten. Vier Stunden
hindurch

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