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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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ihm die Versicherungen seines Vertrauens und
wiederholte ihm die oft erteilten Weisungen. Das genügte ihm. Der
Herrscher konnte nicht daran denken, ihn zu opfern. Diese
Sicherheit bestimmte ihn, einen großen Zug zu wagen. Um seine
Feinde zum Schweigen zu bringen und seine Macht fest zu begründen,
kam er auf den Gedanken, in sehr würdigen Ausdrücken um seine
Entlassung zu bitten. Er sprach von den gegen ihn verbreiteten
Anklagen, fügte hinzu, daß er nur den Wünschen des Kaisers gehorcht
habe und die Notwendigkeit einer Gutheißung von höchster Stelle
empfinde, ehe er sein Werk im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt
fortsetze. Er gab sich überdies als Mann der starken Faust, der
unbarmherzigen Vergeltung. Der Hof war in Fontainebleau. Das
Entlassungsgesuch war abgesandt, und Rougon wartete mit der
Kaltblütigkeit eines sieggewohnten Ringkämpfers. Der Schwamm sollte
über die letzten Skandale, über das Drama von Coulonges, die
Haussuchung bei den Nonnen von der heiligen Familie hinwegfahren.
Fiel er hingegen, dann wollte er von seiner ganzen Höhe als
gewaltiger Mann fallen.
    An dem Tage, an dem das Schicksal des Ministers sich entscheiden
sollte, fand in der Orangerie der Tuilerien ein Wohltätigkeitsbazar
zum Besten einer unter dem Schutze der Kaiserin stehenden
Wiegenanstalt statt. Alle vertrauten Gäste des Palastes, die ganze
hohe amtliche Welt sollte daselbst bestimmt erscheinen, um ihre
Huldigung darzubringen. Rougon beschloß, daselbst sein ruhiges
Antlitz zu zeigen. Kühn wollte er den Leuten ins Gesicht sehen, die
ihn mit schiefen Blicken bespähen würden; mit seiner ruhigen
Verachtung wollte er durch das Geflüster der Menge schreiten. Gegen drei Uhr, ehe er aufbrach, gab er
dem Vorstand des Personals einen letzten Auftrag, als ein Diener
ihm meldete, daß ein Herr und eine Dame da seien, die sehr darauf
drängten, ihn in seiner privaten Wohnung zu sprechen. Die Karte
trug die Namen des Marquis und der Marquise d'Escorailles.
    Die beiden Alten, die der Diener, durch ihre fast ärmliche
Kleidung getäuscht, im Speisesaale gelassen hatte, erhoben sich
förmlich. Rougon beeilte sich, sie in den Salon zu führen, gerührt
von ihrem Erscheinen und zugleich von einer gewissen Unruhe
erfüllt. Er äußerte sich sehr erstaunt über ihre plötzliche Reise
nach Paris; er suchte sich sehr liebenswürdig zu zeigen; allein die
Alten blieben steif, würdevoll, ernst.
    »Mein Herr,« begann endlich der Marquis, »Sie werden uns den
Schritt verzeihen, zu dem wir uns genötigt sehen. Es handelt sich
um unsern Sohn Julius. Wir wünschen, daß er den Verwaltungsdienst
verlasse; wir bitten Sie, ihn nicht länger an Ihrer Seite zu
behalten.«
    Als der Minister sie höchst überrascht anblickte, fuhr er
fort:
    Die jungen Leute sind leichtfertig. Wir haben Julius zweimal
geschrieben und ihn unter Anführung unserer Gründe gebeten, daß er
sich zurückziehe. Als er noch immer nicht gehorchen wollte, haben
wir uns entschlossen zu kommen. Seit dreißig Jahren, mein Herr,
machen wir jetzt zum zweiten Male die Reise nach Paris.«
    Da widersprach er ihnen. Julius habe die schönste Zukunft vor
sich, und sie würden seine Laufbahn zerstören. Während er sprach,
machte die Marquise Zeichen der Ungeduld. Jetzt erklärte sie sich
ihrerseits lebhafter.
    »Mein Gott, Herr Rougon, es ist nicht unsere Sache, ein Urteil
über Sie zu fällen. Aber es gibt in unserer Familie, gewisse Überlieferungen … Bei einer
abscheulichen Verfolgung gegen die Kirche darf Julius nicht mittun.
In Plassans ist man jetzt schon erstaunt. Wir würden uns mit dem
ganzen Adel der Gegend verfeinden.«
    Er hatte begriffen und wollte seinerseits reden; doch mit einer
gebieterischen Bewegung hieß sie ihn schweigen.
    »Lassen Sie mich vollenden … Unser Sohn hat sich gegen
unsern Willen der gegenwärtigen Regierung angeschlossen. Sie
wissen, wie groß unser Schmerz war, als wir ihn im Dienste einer
unrechtmäßigen Herrschaft sehen mußten. Ich allein habe seinen
Vater gehindert, ihn zu verfluchen. Seit jener Zeit ist unser Haus
in Trauer, und wenn wir Freunde empfangen, wird der Name unseres
Sohnes niemals ausgesprochen. Wir hatten geschworen, uns nicht mehr
um ihn zu kümmern; allein es gibt gewisse Grenzen; es wird
unerträglich, daß ein d'Escorailles sich unter die Feinde unserer
heiligen Religion mengt … Sie verstehen mich wohl, mein
Herr?«
    Rougon verneigte sich. Es fiel ihm nicht ein, die frommen Lügen
der alten Dame zu belächeln. Er

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