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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Der
erstere machte sich den Spaß, auf den Tisch zu klopfen und zu
rufen:
    »Madame, zwei Bock!«
    Sie kam herzu, brachte die zwei Bock und blieb stehen, um einen
Augenblick auszuruhen, weil eben wenig Gäste da waren. Zerstreut
trocknete sie mit ihrem Spitzentaschentuche ihre Finger vom Biere.
Herr Kahn bemerkte die außerordentliche Helle ihrer Augen, das
Siegesstrahlen, das ihr Antlitz verklärte. Er betrachtete sie mit
lebhaft zwinkernden Augen und fragte:
    »Wann sind Sie aus Fontainebleau zurückgekehrt?«
    »Heute morgen«, erwiderte sie.
    »Haben Sie den Kaiser gesehen? Was gibt es Neues?«
    Sie schaute ihn lächelnd an und spitzte die Lippen in einer
Weise, aus der er nicht klug werden konnte. Da bemerkte er ein
Juwel, das er früher nie bei ihr gesehen hatte. An dem entblößten
Halse, auf den entblößten Schultern trug sie ein wirkliches
Hundehalsband von schwarzem Samt, mit Schnalle, Ring und Schelle,
einer Schelle von Gold, in der eine feine
Perle klimperte. Auf dem Halsbande waren in Diamantschrift zwei
Namen, in seltsam gewundenen und verschlungenen Buchstaben zu
lesen. Von dem Ringe fiel eine dicke Goldkette herab, die zwischen
ihren Brüsten baumelte und deren Ende an einer Goldplatte befestigt
war, die sie am rechten Arme trug und auf der die Worte zu lesen
waren: »Ich gehöre meinem Herrn.«
    »Ist das ein Geschenk?« flüsterte Herr Kahn und zeigte auf das
Juwel.
    Sie nickte bejahend, die Lippen noch immer zu einem feinen und
sinnlichen Mäulchen gespitzt. Sie selbst habe diese Leibeigenschaft
gewünscht, sagte sie. Sie trug dieselbe mit einer ruhigen
Schamlosigkeit zur Schau, die sie über die Alltagssünden erhob; sie
dünkte sich geehrt durch die Wahl des Herrschers und war beneidet
von allen. Als sie sich mit diesem Halsbande zeigte, auf dem
durchdringende Augen einen hohen Namen mit dem ihrigen verschlungen
zu lesen vorgaben, begriffen alle Frauen, tauschten Blicke aus, als
wollten sie sagen: »Das ist eine vollzogene Tatsache!« Seit einem
Monat plauderte die vornehme Welt von diesem Abenteuer und
erwartete die Entwicklung. Es war in der Tat so gekommen; sie
selbst rief es aus, sie selbst trug es auf der Schulter
geschrieben. Wenn man einer Geschichte Glauben schenken durfte, die
von Ohr zu Ohr ging, so war ihr erstes Bett mit fünfzehn Jahren das
Strohlager eines Kutschers in einem Stalle. Später habe sie andere
Lager bestiegen, immer höher, die Lager von Bankiers, Beamten,
Ministern, bei jeder ihrer Nächte im Glücke steigend. Dann von
Schlafzimmer zu Schlafzimmer, von Stockwerk zu Stockwerk gelangend,
hatte sie, um einen letzten Willen, einen letzten Stolz zu
befriedigen, ihr schönes, kühles Haupt auf ein kaiserliches Pfühl
gelegt.
    »Madame, ein Glas Bock, wenn ich bitten darf«, bat
ein dicker, dekorierter Herr, ein General,
der sie lächelnd betrachtete.
    Als sie den Bock gebracht hatte, riefen sie zwei
Abgeordnete.
    »Zwei Gläser Chartreuse, wenn's beliebt!«
    Es kamen viele Leute, die Bestellungen kreuzten sich; man
verlangte Grogs, Kümmel, Limonade, Kuchen, Zigarren. Die Männer
sahen sie an, flüsterten miteinander, erheitert durch die
umlaufende spaßige Geschichte. Wenn diese Kellnerin, die am Morgen
desselben Tages aus den Armen eines Kaisers hervorgegangen, mit
ausgestreckter Hand ihr Geld in Empfang nahm, schienen sie zu
schnuppern, an ihrem Körper eine Spur dieser Fürstenliebe zu
suchen. Ohne die geringste Verlegenheit wandte sie langsam den
Kopf, um ihr Hundehalsband zu zeigen, dessen dicke Goldkette ein
leises Gerassel verursachte. Es mußte eine besondere Würze darin
liegen, die Dienerin aller zu sein, wenn man eine Nacht Königin
gewesen, zum Spaße zwischen den mit Zitronenscheiben und
Kuchenresten bedeckten Tischen eines Kaffeehauses herumzutrippeln
mit statuenhaft schönen Füßen, die ein erhabener Schnurrbart mit
leidenschaftlichen Küssen berührt hat.
    »Das ist sehr ergötzlich«, sagte sie und stellte sich wieder vor
Herrn Kahn hin. »Meiner Treu, sie halten mich für eine Dirne. Ich
glaube gar, einer hat mich in den Arm gekniffen. Aber ich sagte
nichts. Wozu auch? Es geschieht doch für die Armen.«
    Herr Kahn bat sie mit einem Augenblinzeln, sich
herniederzuneigen und fragte sehr leise:
    »Was ist's mit Rougon?«
    »Still! Sie werden es sogleich erfahren«, erwiderte sie.,
ebenfalls die Stimme dämpfend. »Ich habe ihm in meinem Namen eine
Einladungskarte gesendet. Ich erwarte ihn.«
    Als Herr Kahn den Kopf schüttelte, fügte sie
lebhaft

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