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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sich in dieser Menge zu drängen, galt für einen Genuß. Ein
Geräusch wie auf einer öffentlichen Versteigerung erhob sich,
unterbrochen von einem hellen Gelächter inmitten des dumpfen
Getrippels der Beine auf dem Sande. Die roten Vorhänge verschlangen
das grelle Licht der hohen Fenster und brachten so eine rote,
schwebende Helle hervor, die einen rosigen Schein über die nackten
Busen breitete. Sechs andere Damen, eine Baronin, zwei
Bankierstöchter, drei Frauen von hohen Beamten wandelten mit
leichten Körbchen, die an ihrem Halse hingen, zwischen den
Verkaufspulten umher und eilten jedem Neuankommenden entgegen,
Zigarren und Feuer zum Kaufe anbietend.
    Frau von Combelot hatte besonders vielen Erfolg. Sie war
Blumenverkäuferin und saß sehr hoch in dem mit Rosen gefüllten
Stande, einem geschnitzten und vergoldeten Häuschen, das einem
großen Vogelbauer glich. Ganz in Rosa gekleidet, in ein Rosa, das
dem ihrer Haut glich und über dem Ausschnitt des Leibchens eine
Fortsetzung ihrer Blöße zu sein schien, bloß zwischen den beiden
Brüsten das sämtlichen Verkäuferinnen gemeinsame Veilchensträußchen
tragend, war sie auf den Einfall gekommen, ihre Sträußchen vor dem
Publikum selbst zu binden wie eine wirkliche Blumenhändlerin: eine
Rose, eine Knospe, drei Blätter, die sie zwischen ihren Fingern
zusammenrollte, das Ende des Bindfadens zwischen den Zähnen
haltend. Sie verkaufte die Sträußchen zu den Preisen von einem
Louis bis zu zehn Louis, je nach dem Gesichte der Herren. Man riß
sich um ihre Sträußchen; sie konnte die Bestellungen nicht
befriedigen; in ihrer großen Geschäftigkeit stach sie sich zuweilen
in die Finger, die sie dann lebhaft zum Munde führte, um das Blut
auszusaugen.
    In dem Zelte gegenüber hielt Frau Bouchard das Glücksrad. Sie
trug eine köstliche blaue Toilette von bäuerlichem Schnitt, die Taille hoch, das Leibchen in Fichuform,
fast eine Verkleidung, in der sie einer Lebkuchenverkäuferin
ähnlich sah. Dazu affektierte sie ein reizendes Stammeln, eine
unschuldige Miene, die überaus eigenartig war. Die Gewinste am
Glücksrade waren in Klassen eingeteilt; es waren abscheuliche
Bibelots im Werte von fünf bis zehn Sous, Sachen aus Saffian, Glas,
Porzellan. Die Feder knirschte über die Messingfäden hin; die
Drehscheibe entführte die Gewinste mit einem unaufhörlichen
Geräusche zerbrochenen Geschirres. Wenn es an Spielern fehlte,
sagte Frau Bouchard mit der sanften Stimme einer Unschuld, die eben
erst aus ihrem Dorfe angelangt ist:
    »Zwanzig Sous ein Zug, meine Herren! … Versuchen Sie Ihr
Glück! … «
    Im Büfettraum, dessen Fußboden ebenfalls mit Sand bestreut und
dessen Winkel mit grünen Pflanzen geschmückt waren, hatte man runde
Tischchen und Sessel von gebogenem Holze aufgestellt. Um die Sache
pikanter zu machen, hatte man ein regelrechtes Kaffeehaus
nachgeahmt. Im Hintergrund war ein riesiger Schanktisch
aufgestellt; daselbst fächelten sich drei Damen in Erwartung der
Herren, die sich da eine Erfrischung holen würden. Vor ihnen
standen Likörflaschen, Teller mit Kuchen und Brötchen, Bonbons,
Zigarren und Zigaretten. Alles glich dem fragwürdigen Markte eines
öffentlichen Balles. Die Dame in der Mitte, eine brünette Gräfin
mit lebhaften Manieren, erhob sich von Zeit zu Zeit, neigte sich
vor, um ein Gläschen einzuschänken; sie kannte sich nicht mehr aus
in dem Wirrsal von Flaschen und manövrierte mit ihren nackten Armen
in einer Weise, daß sie Gefahr lief, alles zu zerbrechen. Im
Büfettraum herrschte Clorinde. Sie bediente das Publikum an den
Tischen. Es war Juno als Schankmädchen. Sie trug ein Kleid von
gelbem Samt mit quergelegten Streifen von schwarzem Samt geputzt; es war von einer
außerordentlichen, blendenden Wirkung; ein Stern, dessen Schleppe
dem Schweif eines Kometen glich. Sehr tief ausgeschnitten, die
Büste frei, so bewegte sie sich in königlicher Schönheit zwischen
den Sesseln und reichte mit der Ruhe einer Göttin die Getränke auf
Platten von Chinasilber herum. Sie streifte mit ihren nackten Armen
die Schultern der Herren, neigte sich mit ihrem offenen Leibchen
herab, um die Bestellungen entgegenzunehmen und antwortete allen,
lächelnd, wohlgelaunt, ohne sich zu beeilen. Wenn die Erfrischungen
verzehrt waren, empfing sie in ihrer schönen Hand die Bezahlung in
Silber- und Kupfermünzen, die sie mit einer gewohnheitsmäßigen
Bewegung in eine Gürteltasche warf.
    Herr Kahn und Herr Béjuin hatten soeben Platz genommen.

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