Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
unschicklich betragen.
Um allen unangenehmen Bemerkungen zu entgehen, näherte er sich dem
Stande, wo Frau von Combelot noch immer ihre kleinen Sträußchen
wand. Diese Sträußchen konnten doch nicht teuer sein, dachte er. In
seiner Vorsicht wollte er kein Sträußchen, weil er vermutete, daß
die Verkäuferin ihre Arbeit hoch anschlagen werde. Er wählte unter
den Rosen eine kaum erschlossene kleine Knospe und fragte galant,
sein Brieftäschchen ziehend:
    »Was kostet die Blume, Madame?«
    »Hundert Franken, mein Herr«, erwiderte die Dame, die sein Tun
von der Seite beobachtet hatte.
    Er stammelte etwas, seine Hände zitterten. Aber jetzt konnte er
nicht mehr zurück. Es waren Leute da, und man beobachtete ihn. Er
zahlte und flüchtete in den Büfettraum. Er
setzte sich an den Tisch des Herrn Kahn und brummte:
    »Das ist ja ein Hinterhalt!«
    »Haben Sie nicht Rougon im Saale gesehen?« fragte Herr Kahn.
    Der Oberst antwortete nicht. Er warf aus der Ferne wütende
Blicke auf die Verkäuferinnen. Als er Herrn d'Escorailles und Herrn
La Rouquette vor einem Verkaufsstande in sehr heiterer Stimmung
sah, murmelte er zwischen den Zähnen:
    »Mein Gott, die jungen Leute unterhalten sich … Die bringen
ihr Geld immer herein.«
    Herr d'Escorailles und Herr La Rouquette unterhielten sich in
der Tat sehr gut. Die Damen rissen sich um sie. Seit ihrem Eintritt
streckten sich alle Arme nach ihnen aus; rechts und links wurden
ihre Namen gerufen.
    »Herr d'Escorailles! vergessen Sie nicht, was Sie mir
versprochen haben. Herr La Rouquette, Sie werden mir ein Pferdchen
abkaufen. Nicht? Dann eine Puppe. Ja, eine Puppe müssen Sie
haben!«
    Sie reichten einander den Arm, um sich zu schützen, wie sie
lachend sagten. Strahlend, entzückt schritten sie weiter unter dem
Ansturm all dieser Frauenröcke, in der lauen Liebkosung dieser
schönen Stimmen. Von Zeit zu Zeit verschwanden sie zwischen den
entblößten Brüsten, gegen die sie sich mit halblauten
Schreckensrufen zu verteidigen schienen. Vor jedem Verkaufsstande
ließen sie eine solche liebenswürdige Vergewaltigung über sich
ergehen. Dann spielten sie die Geizigen, heuchelten einen komisch
wirkenden Schrecken. Eine Puppe im Werte von einem Sou für einen
Louis zu verkaufen! … Das ging über ihre Mittel. Drei
Bleistifte für zwei Louis! Das hieß: ihnen das Brot vom Munde
nehmen. Die Damen ließen eingirrendes Lachen
vernehmen, das dem Gesang einer Flöte glich. Sie wurden noch
gieriger, gleichsam berauscht durch diesen Goldregen, erhöhten die
Preise um das Drei- und Vierfache, von einer wahren Leidenschaft
des Stehlens fortgerissen. Sie ließen die Herren von Hand zu Hand
wandern, zwinkerten dabei mit den Augen. Man hörte einzelne Damen
flüstern: »Diese will ich fassen … Sie werden sehen, man kann
diese Herren salzen … « Die beiden hörten diese Reden und
antworteten darauf mit scherzhaften Grüßen. Hinter ihrem Rücken
triumphierten die Damen und prahlten mit ihren Erfolgen. Die
Pfiffigste, die am meisten Beneidete, war ein Fräulein von achtzehn
Jahren, die eine Stange Siegelwachs für drei Louis verkauft hatte.
Als aber am Ende des Saales eine Dame dem Herrn d'Escorailles eine
Dose Seife in die Tasche stecken wollte, rief dieser aus:
    »Ich habe keinen Sou mehr. Soll ich Ihnen etwa Wechsel
unterschreiben?«
    Er schüttelte sein Geldtäschchen, das sie durchsuchte. Dann
betrachtete sie den jungen Mann; sie war auf dem Punkte, seine
goldene Uhr zu verlangen.
    Das war ein Spaß. Herr d'Escorailles nahm auf solche
Wohltätigkeitsmärkte immer ein leeres Geldtäschchen mit.
    »Ich habe genug«, sagte er und zog Herrn La Rouquette mit sich.
»Ich schließe meine Taschen … Wir müssen trachten, uns zu
erholen.«
    Als sie bei dem Glücksrade vorbeikamen, rief Frau Bouchard ihnen
zu:
    »Zwanzig Sous ein Zug, meine Herren!«
    Sie traten näher und taten, als hätten sie nicht gehört.
    »Was kostet ein Zug, Madame?«
    »Zwanzig Sous, meine Herren.«
    Sie lachten wieder. Frau Bouchard aber in ihrer blauen Toilette
blieb ruhig, sah erstaunt auf die beiden Herren, als habe sie diese nicht erkannt. Da entwickelte sich
eine furchtbare Spielpartie. Eine Viertelstunde hindurch kreischte
unaufhörlich das Glücksrad. Sie spielten abwechselnd. Herr
d'Escorailles gewann zwei Dutzend Eierbecher, drei kleine Spiegel,
sieben Statuetten von gebrannter Erde, fünf Zigarettentäschchen;
Herr La Rouquette eine Visitenkartenschale von Porzellan auf Füßen
von vergoldetem Zink,

Weitere Kostenlose Bücher