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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zu sein; ihre
so scharfsinnig vorbereitete Rache, ihre Freude, als Weib einen
wegen seiner außerordentlichen Klugheit berühmten Mann geschlagen
zu haben. Sie gönnte sich jetzt das Vergnügen, ihn zu martern,
ihren Sieg zu mißbrauchen; sie legte den Finger an die wundesten
Punkte. Du lieber Gott! ihr Gatte sei nicht gerade ein überlegen
gescheiter Mann; sie gebe es zu, sie scherze sogar darüber. Sie
wollte damit sagen, daß der Erstbeste genügt hätte, daß sie den
Türsteher Merle zum Minister gemacht hätte, wenn es ihr so beliebt
hätte. Ja, der Türsteher Merle, irgendein tölpelhafter Unbekannter,
kurz, wer immer sei ein würdiger Nachfolger Rougons gewesen. Dies
bewies die Allmacht des Weibes. Dann überließ sie sich vollständig
dem Zuge ihres Herzens und gab sich als Beschützerin, als
Ratgeberin.
    »Sehen Sie, mein Lieber, ich sagte es Ihnen
oft: Sie haben unrecht, die Frauen zu mißachten. Nein, die Frauen
sind nicht so dumm, wie Sie glauben. Es brachte mich immer in Zorn,
wenn ich hören mußte, wie Sie uns als Närrinnen, als lästige Möbel,
als Fesseln, was weiß ich, als was noch behandelten … Sehen
Sie meinen Mann! War ich ihm eine Fessel? Ich wollte Ihnen das
zeigen. An dem Tage, als wir über diesen Gegenstand sprachen, – Sie
erinnern sich wohl – verhieß ich mir diesen Genuß. Sie haben
gesehen, nicht wahr? Nun denn, keinen Groll! Sie sind ein kluger
Mann, mein Lieber; aber merken Sie sich eines: eine Frau wird Sie
immer herumkriegen, wenn sie sich die Mühe nimmt.«
    Rougon war ein wenig bleich geworden und lächelte.
    »Ja, Sie haben vielleicht recht«, sagte er langsam, sich dieser
ganzen Geschichte erinnernd. »Ich hatte bloß meinen Verstand. Sie
aber hatten … «
    »Ich hatte etwas anderes, gewiß!« vollendete sie mit einer
Keckheit, die bis zur Größe hinanstieg, so sehr setzte sie sich
über alle Schicklichkeit hinweg.
    Er hatte kein Wort der Klage. Sie hatte ihm von seiner Macht
genommen, um ihn zu besiegen; sie wandte heute die Lehren gegen
ihn, die sie einst in den angenehmen Nachmittagsstunden, die sie in
der Marbeufstraße zugebracht, von ihm aufgenommen hatte. Es war
Undank, es war Verrat, dessen Bitterkeit er als erfahrener Mann
ohne Murren hinunterschluckte. Bei dieser Lösung der Dinge
beschäftigte ihn die einzige Sorge zu wissen, ob er sie endlich
ganz kenne. Er erinnerte sich, wie er ehemals sich so ganz
vergebens angestrengt hatte, das geheime Räderwerk dieser
regellosen und doch so herrlichen Maschine zu erforschen. Die
Dummheit der Männer sei entschieden sehr groß, gestand er sich.
    Zweimal hatte sich Clorinde entfernt, um andere
Gäste zu bedienen. Nachdem sie ihr
Rachegelüst gesättigt hatte, nahm sie ihren stolzen Gang zwischen
den Tischen wieder auf und schien sich nicht weiter um ihn zu
kümmern. Er folgte ihr mit den Augen und sah, wie sie sich einem
Herrn mit riesigem Barte näherte, einem Fremden, dessen
Freigebigkeit damals ganz Paris in Aufruhr brachte. Der Fremde
leerte eben ein Glas Malaga.
    »Es kostet, Madame?« fragte er sich erhebend.
    »Fünf Franken, mein Herr. Jede Erfrischung kostet fünf
Franken.«
    Er zahlte. Dann fragte er in demselben Tone und mit seinem
fremdartigen Akzent:
    »Und ein Kuß?«
    »Hunderttausend Franken«, erwiderte sie, ohne zu zögern.
    Er setzte sich wieder, schrieb einige Worte auf ein Blatt
Papier, das er einem Büchlein entnommen hatte. Dann drückte er
einen vollen Kuß auf Clorindens Wange, bezahlte dafür und ging
gleichgültig davon. Alle Welt lächelte; man fand die Szene sehr
hübsch.
    »Man muß nur den Preis zu fordern wissen«, sagte Clorinde, als
sie zu Rougon zurückkehrte.
    Er sah in diesen Worten eine neue Anspielung. Ihm hatte sie ein
»Niemals!« zugerufen. Dieser keusche Mann, der den Keulenschlag
seiner Ungnade ertragen hatte, ohne zu zucken, litt furchtbar durch
den Anblick des Halsbandes, das sie so schamlos trug. Sie neigte
sich noch mehr herab, forderte ihn heraus, bewegte ihren Hals vor
ihm. Die feine Perle klimperte in der goldenen Schelle; die Kette
hing herab, gleichsam noch warm von der Hand des Gebieters; die
Diamanten funkelten auf dem Samt, wo er leicht das allen bekannte
Geheimnis lesen konnte. Niemals hatte er in einem solchen Grade
diese uneingestandene Eifersucht gefühlt, diesen brennenden Schmerz
hoffärtigen Neides, den er zuweilen
angesichts des allmächtigen Kaisers empfunden. Er würde Clorinde
lieber in den Armen jenes Kutschers gesehen haben, von dem die
Leute sich

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