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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Volksmenge staute sich und blickte zurück, um zu sehen, auf wen
es dieser lange Kerl im gelben Zwillich abgesehen hatte. Endlich
konnte der Kutscher vorwärts kommen; und der Wagen rollte weiter
der Brücke zu.
    »So schweigen Sie doch!« sagte Frau Correur leise und ergriff
Gilquin am Arme.
    Er aber wollte sich nicht gleich setzen, sondern reckte sich, um
den Wagen mit den Blicken zu verfolgen. Dann brummte er dem
Davoneilenden nach:
    »Der Ausreißer! Weil er jetzt Gold auf dem Rocke hat! Und doch
hast du Dicker oft genug Theodors Stiefel entlehnt!«
    Rings um ihn rissen an den sieben bis acht
Tischen des kleinen Kaffeehauses die Spießbürger mit ihren Weibern
gewaltig die Augen auf; besonders am benachbarten Tische lauschte
ihnen eine ganze Familie, die Eltern und drei Kinder, mit
gespannter Aufmerksamkeit. Entzückt, Zuhörer zu haben, blies er
sich nur noch mehr auf, ließ seine Blicke über die Gäste schweifen
und sagte sehr laut, indem er sich wieder setzte:
    »Rougon! Den habe ich zu dem gemacht, was er ist!«
    Frau Correur hatte ihn unterbrechen wollen, aber er nahm sie als
Zeugin. Sie wußte das alles sehr genau! Bei ihr im Hause in der
Kibitzstraße hatte es sich zugetragen. Sie würde gewiß nicht
bestreiten, daß jener zwanzigmal seine Stiefel entlehnt habe, um zu
vornehmen Leuten zu gehen und sich in eine Menge Geschäfte zu
stecken, von denen niemand etwas verstand. Rougon besaß damals nur
ein Paar alte Schlappen, so abgetreten, daß ein Lumpensammler sie
nicht genommen habe. Sich mit sieghafter Gebärde zu dem
Nachbartische hinüberbeugend, um die Familie mit in die
Unterhaltung zu ziehen, rief er:
    »Wahrhaftig, sie kann es nicht bestreiten. Sie hat für ihn das
erste Paar neue Stiefel in Paris bezahlt!«
    Frau Correur drehte ihren Stuhl herum, um nicht mehr zu Gilquins
Gesellschaft gezählt zu werden. Die Charbonnels waren ganz bleich
geworden, als sie so über den Mann sprechen hörten, der ihnen
fünfhunderttausend Franken in die Tasche stecken sollte. Aber
Gilquin war einmal im Zuge und berichtete mit unendlichen
Einzelheiten über Rougons Anfänge. Er nannte sich einen Philosophen
und lachte jetzt; er zog die Gäste, einen nach dem andern, ins
Gespräch, rauchte, spie, trank und erklärte ihnen, daß er an den
Undank der Menschen gewöhnt sei; ihm genüge die Selbstachtung. Und
er wiederholte, daß er Rougon zu dem gemacht habe, was er jetzt sei. Zu jener Zeit reiste er in
Parfümerien, aber das Geschäft ging nicht wegen der Republik. Alle
beide verhungerten sie auf einem und demselben Treppenabsatze. Dann
war er auf den Einfall gekommen, Rougon zu bewegen, er möge sich
von einem Landwirte aus Plassans Olivenöl schicken lassen; und sie
waren ausgezogen, der eine hierhin, der andere dorthin, und waren
auf dem Pariser Pflaster bis zehn Uhr abends umhergelaufen mit
Ölproben in den Taschen. Rougon war hierin nicht stark; dennoch
brachte er öfter von hohen Personen, mit denen er verkehrte,
hübsche Aufträge heim. Dieser Lump von Rougon! In allen Dingen
dümmer als eine Gans und boshaft obendrein! Wie hatte er Theodor
später für seine Politik ausgenutzt! Hier redete er etwas leiser
und blinzelte verständnisvoll, denn schließlich war auch er bei der
Rande gewesen. Er war in den Vorstadtschenken herumgelaufen und
hatte geschrien: Hoch die Republik! Wahrhaftig man mußte
Republikaner sein, um Leute zu ködern. Das Kaiserreich schuldete
ihm eine schöne Belohnung; aber es sagte ihm nicht einmal Dank.
Während Rougon und die Seinen sich den Kuchen teilten, stieß man
ihn vor die Tür wie einen räudigen Hund. Ihm war es schon recht, er
blieb lieber unabhängig. Er bedauerte nur, nicht bis zum Ende mit
den Republikanern gegangen zu sein und diese ganze Bande nicht
zusammengeschossen zu haben.
    »Gerade wie der kleine Du Poizat, der mich auch nicht mehr
kennen will«, schloß er. »Ein Wicht, dem ich öfter als einmal die
Pfeife gestopft habe … Du Poizat! Unterpräfekt! Ich habe ihn
im Hemde mit der großen Amalie gesehen, die ihn mit einem Klaps vor
die Tür setzte, wenn er nicht artig war.«
    Er schwieg, von plötzlicher Rührung übermannt, mit Tränen des Rausches in den Augen. Dann wandte er sich
wieder an die Gäste in der Runde:
    »Ihr habt Rougon gesehen … Ich bin ebenso groß wie er, von
seinem Alter und schmeichle mir einen weniger eselhaften Kopf zu
haben als er. Würde ich nicht eine schönere Figur in einem Wagen
machen, als dies dicke, am ganzen Leibe von Gold

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