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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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rechts Nationalgarden, links Linientruppen. Das eine
Ende des Spaliers verlor sich in der Arcolestraße, die mit Fahnen
geschmückt war, und aus deren Fenstern kostbare Teppiche hingen,
welche die schwarzen Häuser entlang leicht
im Winde flatterten. Die gesperrte Brücke war der einzige leere
Streif, den man sah, während ringsum selbst die entferntesten
Winkel vollgestopft waren; so machte sie mit ihrem einzigen
leichten, sanft gewölbten Eisenbogen einen seltsamen Eindruck. Aber
unmittelbar daneben begann an den Böschungen des Flusses das
Gedränge schon wieder; sonntäglich geputzte Bürger hatten dort ihre
Schnupftücher ausgebreitet und sich mit ihren Frauen daraufgesetzt;
so harrten sie da und ruhten nach einem halben Tag des Müßigganges
aus. Jenseits der Brücke ruderte inmitten des breiten, sehr blauen,
an der Vereinigung der beiden Arme grünlich schillernden Stromes
eine Gesellschaft von Bootfahrern in roten Blusen leicht gegen den
Strom, um ihr Fahrzeug auf der Höhe des Früchtehafens zu halten. Am
Gèvres-Ufer befand sich eine große Waschanstalt, deren Holzwerk
durch das Wasser grün gefärbt war, und aus der man die Wäscherinnen
lachen und das Zeug ausklopfen hörte. Diese zusammengedrängten
drei- bis viermalhunderttausend Menschen erhoben zuweilen die
Köpfe, um nach den Türmen der Liebfrauenkirche zu sehen, deren
plumpe Masse über die Häuser des Napoleonufers emporragte; von der
sinkenden Sonne vergoldet und sich rostfarben von dem hellen Himmel
abhebend, zitterten sie in der Luft, von einem ohrenbetäubenden
Lärm widerhallend. Zwei- oder dreimal schon hatte blinder Lärm
große Erregung in der Menge hervorgerufen.
    »Ich versichere Ihnen, daß sie nicht vor halb sechs Uhr
vorbeikommen werden«, äußerte ein langer Kerl, der mit den
Charbonnels vor einem Kaffeehause am Gèvresufer saß.
    Es war Gilquin, Theodor Gilquin, der frühere Mieter der Frau
Melanie Correur, der schreckliche Freund Rougons. Er trug zur Feier
des Tages einen Anzug aus gelbem Zwillich zu neunundzwanzig
Franken, zerknittert, befleckt und an den
Rändern eingerissen, hellbraune Handschuhe, einen großen Strohhut
ohne Band. Wenn Gilquin Handschuhe anzog, war er in Wichs.
Nachmittag führte er die Charbonnels umher, deren Bekanntschaft er
eines Abends bei Rougons in der Küche gemacht hatte.
    »Ihr werdet noch alles sehen, Kinder«, wiederholte er und
wischte seinen langen Schnurrbart ab, der wie eine Narbe durch sein
Säufergesicht ging. »Ihr habt euch mir anvertraut, nicht wahr?
Überlaßt es mir also, die Ordnung und den Gang des kleinen Festes
zu bestimmen.«
    Gilquin hatte schon drei Glas Kognak und fünf Schoppen Bier
getrunken. Seit zwei endlosen Stunden hatte er die Charbonnels da
festgehalten unter dem Vorwande, daß sie die ersten am Platze sein
müßten. Das kleine Kaffeehaus sei ihm wohlbekannt, sagte er, auch
duze er den Kellner. Die Charbonnels hörten ihm ergebungsvoll zu,
überrascht von der unerschöpflichen Mannigfaltigkeit seiner
Unterhaltung; Frau Charbonnel hatte nur ein Glas Zuckerwasser
genommen, ihr Mann ein Glas Kümmel, wie er es sich zuweilen im
kaufmännischen Vereine zu Plassans gönnte. Inzwischen erzählte
ihnen Gilquin von der Taufe, als ob er den Vormittag in den
Tuilerien zugebracht und dort Erkundigungen eingezogen habe.
    »Die Kaiserin ist sehr glücklich,« sagte er, »sie hat eine
leichte Niederkunft gehabt. Es ist ein Prachtweib! Sie werden
gleich sehen, wie stattlich sie aussieht … Der Kaiser ist
vorgestern von Nantes zurückgekehrt, wo er die Überschwemmten
besucht hat … Welches Unglück, diese Überschwemmungen!
    Frau Charbonnel zog ihren Stuhl zurück. Sie hatte einige Furcht
vor der Menge, die in immer dichteren Scharen an ihr
vorüberströmte, und murmelte:
    »Welche Menschenmasse!«
    »Potztausend!« rief Gilquin, »es sind über
dreihunderttausend Fremde in Paris. Seit acht Tagen haben die
Vergnügungszüge die ganze Provinz hereingeschleppt … Sehen
Sie, da sind Normannen, da Gascogner und da Franche-Comteser. Ich
kenne sie an der Witterung, bin weit genug herumgekommen.«
    Darauf erzählte er, daß die Gerichte feierten, die Börse
geschlossen sei und alle Behörden ihre Beamten beurlaubt hätten.
Die ganze Hauptstadt feierte die Taufe mit. Dann führte er Zahlen
an, um die Kosten der Feier und der sie begleitenden Festlichkeiten
zu berechnen. Der gesetzgebende Körper hatte vierhunderttausend
Franken bewilligt, aber das sei ein Bettel. Ein Stallmeister aus
den

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