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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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euch ab, um euch das ganze Fest zu zeigen. Wird das nicht
prächtig sein?«
    Die Charbonnels sahen einander sehr unruhig an. Er aber erklärte
weitläufig mit einer wahren Bärenführerstimme die Festordnung.
Vormittags Frühstück im Königspalast und Gang durch die Stadt,
nachmittags an dem Invalidenplatz militärische Schaustellungen,
Kletterbäume, dreihundert kleine Ballons mit Zuckertüten, ein
großer Ballon mit einem Regen von Zuckerwerk, abends Essen bei
einem ihm bekannten Gastwirte am Billyufer, Feuerwerk, dessen
Hauptstück ein Taufbecken darstellen werde, endlich ein Spaziergang
durch die festlich erleuchtete Stadt. Und er schwatzte ihnen von
dem Feuerkreuze vor, das auf dem Gebäude der Ehrenlegion zu sehen
sein sollte, von dem Feenschlosse auf dem Eintrachtsplatze, zu dem
neunhundertfünfzigtausend bunte Gläser nötig waren, vom
St.-Jakobs-Turme, dessen Bildsäule in der Luft einer brennenden
Fackel gleichen sollte. Als das Ehepaar noch immer zögerte, bog er
sich zu ihnen vor und fuhr leise fort:
    »Auf dem Heimwege endlich werden wir eine Milchwirtschaft in der
Seinestraße besuchen, wo es eine vorzügliche Käsesuppe gibt.«
    Diesen Lockungen vermochten die beiden nicht zu widerstehen.
Ihre runden Augen drückten zugleich Neugier und kindische Furcht
aus; sie fühlten sich ganz in der Gewalt dieses schrecklichen
Menschen. Frau Charbonnel murmelte nur:
    »Ach, dieses Paris, dieses Paris! … Da wir aber einmal hier
sind, müssen wir auch alles mitnehmen. Aber wenn Sie wüßten, Herr
Gilquin, wie ruhig wir in Plassans lebten! Ich habe zu Hause
Eingemachtes, Eingezuckertes, Kirschen in Branntwein,
Pfeffergurken, und alles verdirbt! …
    »Hab' keine Bange, Mama!« sagte Gilquin, der
schon so weit war, daß er sie duzte. »Du wirst deinen Prozeß
gewinnen und mich einladen. Dann werden wir unter dem Eingemachten
schon aufräumen!«
    Er goß sich ein neues Glas Absinth ein, das ihn vollends
berauschte. Einen Augenblick sah er das Ehepaar zärtlich an; er sei
ein Mensch, der das Herz auf der flachen Hand trage. Plötzlich
erhob er sich, schwenkte seine langen Arme und rief: »Heda! Hier!«
Er meinte Frau Correur, die in einem Kleid aus taubengrauer Seide
vorbeiging. Sie sah sich um und schien sehr verdrießlich, als sie
ihn erblickte; dennoch kam sie über die Straße, ihre Hüften mit der
Miene einer Fürstin wiegend. Als sie endlich vor dem Tische stand,
ließ sie sich lange bitten, ehe sie etwas annahm.
    »Nur ein Gläschen Johannisbeerschnaps!« bat Gilquin. »Ich weiß,
Sie trinken ihn gerne… Erinnern Sie sich, in der Kibitzstraße? Das
war doch eine schöne Zeit! Ach, das Vieh von Correur!«
    Endlich nahm sie Platz, als ein ohrenzerreißender Jubel durch
die Menge ging. Die Spaziergänger sausten davon, wie vom Sturme
entführt, und trappelten gleich einer freigelassenen Herde. Auch
die Charbonnels hatten sich unwillkürlich erhoben und wollten sich
anschließen, aber Gilquins schwere Hand bannte sie auf ihrem Sitz
fest. Er war puterrot und rief:
    »Bleibt doch sitzen, Schwerenot! Wartet bis der Befehl kommt…
Ihr seht, daß alle diese Narren eine Schraube verloren haben. Es
ist erst fünf Uhr, nicht wahr? Also kommt erst der Kardinallegat.
Wir machen uns nichts aus dem Kardinallegaten! Ich finde es
empörend, daß der Papst nicht selbst gekommen ist. Entweder ist man
Pate oder nicht nach meiner Ansicht! Ich schwöre euch, der Knirps
wird noch eine halbe Stunde auf sich warten lassen!«
    Allmählich raubte ihm die Trunkenheit alles
Anstandsgefühl. Er hatte seinen Stuhl umgedreht und paffte den
Leuten den Rauch ins Gesicht, blinzelte den Frauen zu und sah die
Männer herausfordernd an. An der Liebfrauenbrücke stauten sich alle
paar Schritte die Wagen, die Pferde bäumten sich, stampften
ungeduldig, hohe Beamte und Offiziere in goldgestickten,
ordenbesäten Uniformen wurden an den Wagenfenstern sichtbar.
    »Lauter Trödelkram!« murmelte Gilquin mit dem überlegenen
Lächeln eines Mannes, der über dergleichen erhaben ist.
    Doch plötzlich stieß er, als ein Wagen das Gerberufer heraufkam,
mit einem gewaltigen Satze fast den Tisch um und rief:
    »Da, Rougon!«
    Aufrechtstehend grüßte er mit der behandschuhten Rechten und
schwenkte, aus Furcht, daß dies unbemerkt bleiben könne, seinen
Strohhut. Rougon, dessen Senatorentracht viele Augen auf sich zog,
lehnte sich rasch in die Wagenecke zurück. Darauf rief ihn Gilquin
an, indem er seine halbgeschlossene Faust als Sprachrohr benutzte.
Die

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