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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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entzückt über
die Art, wie er eine solche Summe hergab, mit einer Gebärde
zärtlicher Hingebung vor und bot ihm die Wange zum Kusse. Nachdem
er sie väterlich geküßt, ging sie, ihm mit hinreißendem Lächeln
zunickend, und sagte:
    »Vielen Dank im Namen der armen Mädchen! Ich habe nur noch
sieben Lose unterzubringen. Der Pate wird sie nehmen.«
    Als Rougon allein, war, setzte er sich an
seinen Schreibtisch, ohne recht zu wissen, was er tat. Er nahm die
unterbrochene Arbeit wieder auf, schrieb einige Minuten und las
dazwischen aufmerksam die vor ihm zerstreuten Schriftstücke. Dann
stand er mit der Feder in der Hand da und blickte nachdenklich
durch das offene Fenster in den Garten, ohne jedoch etwas zu sehen.
Nur Clorindens schlanke Gestalt trat ihm wieder vor die Augen, wie
sie vorhin da gestanden hatte; sie wiegte sich und streckte sich
mit der wollüstigen Geschmeidigkeit einer bläulichen Schlange. Sie
erhob sich, trat ein und stand mitten im Zimmer auf dem lebendigen
Schweife ihrer Schleppe, sich in den Hüften wiegend, während ihre
Arme sich langsam bis zu ihm heranringelten. Allmählich füllten
ihre Gliedmaßen das ganze Gemach aus, lagen überall herum, auf dem
Teppich, den Sesseln, an den Tapeten, stumm, leidenschaftlich. Ein
herber Geruch ging von ihr aus.
    Da warf Rougon heftig die Feder beiseite und verließ zornig den
Tisch, die Hände ineinanderschlingend, daß die Finger knackten.
Sollte er sich von ihr auch noch in der Arbeit stören lassen?
Verlor er den Verstand, daß er am hellen Tag Dinge sah, die nicht
vorhanden waren? Er, dessen Kopf so fest gebaut war? Er erinnerte
sich aus seiner Jugend, als er noch Student war, eines Weibes,
neben dem er ganze Nächte schrieb, ohne auch nur ihren Atem zu
hören. Er zog den Vorhang hoch, öffnete auch das zweite Fenster,
stieß heftig die Tür am andern Ende des Zimmers auf und ließ
frische Luft hindurchstreichen, als ob er zu ersticken fürchte. Mit
der unwilligen Handbewegung, womit er eine Stechfliege verscheucht
haben würde, suchte er den Duft Clorindens mit dem Taschentuche zu
vertreiben. Als er ihn nicht mehr roch, atmete er tief auf und
trocknete sich das Gesicht mit dem Taschentuche, um die
Hitze loszuwerden, die dieses große
Mädchen in ihm erregt hatte.
    Indessen kam er bei seiner Arbeit nicht vom Flecke und ging
langsam im Zimmer auf und ab. Als er sich im Spiegel sah, gewahrte
er einen roten Streif auf seiner linken Backe, trat näher und
untersuchte ihn genau. Die Peitsche hatte nur eine leichte
Hautabschürfung zurückgelassen, die er durch irgendeinen Zufall
erklären konnte. Aber wenn auch die Haut nur noch eine dünne rote
Linie aufwies, innen fühlte er wieder den Schlag brennen, der ihm
das Gesicht zerfetzt hatte. Er eilte in das Ankleidezimmer hinter
einen Vorhang und steckte den Kopf in ein Waschbecken; das tat ihm
wohl. Er fürchtete, dieser Schlag möge seine Begierde nach Clorinde
nur noch steigern. Er scheute sich, an sie zu denken, solange die
kleine Verletzung auf der Wange nicht geheilt sei. Die Hitze, die
er an dieser Stelle empfand, stieg ihm in die Glieder hinab.
    »Nein, ich will nicht!« sagte er ganz laut und trat in das.
Zimmer zurück. »Es wäre Blödsinn!«
    Er setzte sich auf das Sofa und ballte die Fäuste. Ein Diener
trat ein und erinnerte ihn daran, daß das Frühstück kalt werde;
doch er blieb sitzen, um sich von dem Kampfe gegen sein eigen
Fleisch zu erholen. Seine harten Züge schwollen vor innerer
Erregung an; sein Stiernacken schien bersten zu wollen, seine
Muskeln spannten sich, als ob er im Begriffe sei, ohne einen Schrei
in seinem Innern ein Ungeheuer zu erwürgen, das ihn verschlingen
wolle. Dieser Kampf währte zehn volle Minuten; er erinnerte sich
nicht, jemals soviel Kraft verbraucht zu haben. Endlich erhob er
sich, blaß und schweißtriefend.
    Zwei Tage lang ließ er niemanden vor sich. Er hatte sich in eine
bedeutende Arbeit versenkt und wachte eine ganze Nacht darüber.
Sein Diener traf ihn dreimal, wie er auf das Ruhebett hingestreckt stumpf mit
schreckenerregendem Gesichtsausdruck dalag. Am Abende des zweiten
Tages kleidete er sich an, um sich zu Delestang zu begeben, der ihn
zum Essen geladen hatte. Aber statt nach den Elyseischen Feldern zu
gehen, ging er die Straße hinauf und trat in das Haus der Gräfin
Balbi. Es war erst sechs Uhr.
    »Das Fräulein ist nicht zu Hause«, erklärte die kleine Antonia,
mit dem Lächeln einer schwarzen Ziege ihn auf der Treppe
zurückhaltend.
    Er sprach

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