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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wie sie sagte, aufs Land, so daß Herr Bouchard eine Woche lang
als Strohwitwer leben mußte. Selbst Herr d'Escorailles war
gezwungen, die Abende in den kleinen Theatern zu verbringen. Eines
Tages hatte Du Poizat die beiden Frauen in Begleitung
ordengeschmückter Herren gesehen, worüber zu reden er sich wohl
hütete. Frau Correur hatte jetzt zwei Wohnungen: eine in der Weißen
Straße, die andere in der Mazarinstraße; letztere war sehr
verführerisch eingerichtet, und Frau Bouchard begab sich
nachmittags dorthin, wo sie den Schlüssel beim Pförtner fand. Man
erzählte, sie habe an einem regnerischen Morgen, als sie mit
aufgeschürzten Röcken die Königsbrücke
überschritt, einen hochgestellten Beamten erobert.
    Auch der Anhang der Freunde begann sich zu regen und machte sich
nach Kräften nützlich. Oberst Jobelin begab sich in ein
Boulevardcafé, um alte Freunde aufzusuchen, besonders Offiziere,
und redete beim Piketspiel ihnen ins Gewissen, und wenn er den Tag
über ein halb Dutzend geangelt hatte, versicherte er abends
händereibend, »die ganze Armee sei für die gute Sache«. Ähnlich
trieb es Herr Bouchard im Ministerium; allmählich hatte er den
Beamten, ja selbst den Bureaudienern glühenden Haß gegen Herrn von
Marsy eingeflößt, so daß sie alle nach dem goldenen Zeitalter
seufzten, von dem er sich mit seinen Vertrauten flüsternd
unterhielt. Herr d'Escorailles bearbeitete die reiche Jugend, der
er den weiten Gesichtskreis Rougons rühmte, sowie seine Nachsicht
gegenüber gewissen Fehlern und seine Liebe zu Kühnheit und Kraft.
Sogar die Charbonnels fanden auf den Bänken am Senatspalast, wo sie
jeden Nachmittag auf den Ausgang ihres endlosen Prozesses warteten,
Gelegenheit, die kleinen Rentner aus dem, Odéonquartier
anzuwerben.
    Clorinde begnügte sich für ihr Teil nicht damit, in der Schar
die erste Rolle zu spielen. Sie führte sehr verwickelte Pläne aus,
ohne jemandem ein Wort davon zu sagen. Niemals hatte man sie
morgens in so unordentlichen Hausröcken ihre aufgeplatzte und
geflickte Mappe emsiger durch verdächtige Stadtviertel schleppen
sehen wie jetzt. Sie gab ihrem Gatten die seltsamsten Aufträge, die
er mit wahrer Lammsgeduld ausführte, ohne etwas davon zu verstehen.
Sie schickte Luigi Pozzo mit Briefen fort, sie bat Herrn von
Plouguern um seine Begleitung und ließ ihn dann stundenlang
irgendwo auf dem Pflaster stehen und warten. Einen Augenblick kam
ihr der Gedanke, den Einfluß der italienischen Regierung zu Rougons Gunsten aufzubieten. Im
Briefwechsel mit ihrer Mutter, die noch immer in Turin wohnte,
entwickelte sie eine fieberhafte Tätigkeit. Sie träumte davon,
Europa auf den Kopf zu stellen, und ging ein- bis zweimal täglich
zum Ritter Rusconi, um dort die Diplomaten zu treffen. Während
dieses in so seltsamer Weise geführten Feldzuges schien sie sich
jetzt ihrer Schönheit zu erinnern. An manchen Nachmittagen erschien
sie dann im Putz, gekämmt, strahlend. Wenn ihre Freunde, selbst
überrascht, ihr sagten, sie sei schön, erwiderte sie mit einer
sonderbaren Miene geduldiger Müdigkeit:
    »Man muß wohl!«
    Sich selbst bewahrte Clorinde als unwiderstehliches Argument.
Sich hinzugeben war für sie ohne alle Bedeutung. Es machte ihr so
wenig Vergnügen, daß sie es als ein Geschäft ansah wie die anderen,
nur noch etwas langweiliger. Als sie von Compiègne zurückgekehrt
war, wollte Du Poizat, der den Hergang des Jagdabenteuers kannte,
wissen, in welchen Beziehungen sie seitdem zu Herrn von Marsy
stand. Er träumte davon, Rougon dem Grafen zu opfern, wenn Clorinde
die allmächtige Geliebte des letzteren, werde. Aber sie war darüber
fast zornig geworden, und leugnete die ganze Geschichte hartnäckig.
Er hielt sie für so dumm, ihr eine solche Liebschaft zuzutrauen?
Und sie gab zu verstehen, daß sie Herrn von Marsy nicht wiedersehen
wolle. Früher hätte sie ja daran denken können, ihn zu heiraten.
Ein Mann von Geist sorge nach ihrer Meinung niemals ernstlich für
das Glück einer Geliebten. Übrigens habe sie einen anderen
Plan.
    »Sehen Sie,« sagte sie zuweilen, »es führen oft mehrere Wege zum
Ziel, aber immer nur einer, den man mit Vergnügen einschlägt …
Ich für mein Teil habe vielerlei Ansprüche zu befriedigen.«
    Sie ließ Rougon nicht aus den Augen, sie wollte ihn
groß sehen, als denke sie daran, ihn für
ein künftiges Festmahl mit Macht zu mästen. Sie bewahrte ihre
Schülerunterwürfigkeit, stellte sich mit schmeichelhafter Demut in
seinen Schatten. Er

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