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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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selbst schien von der ganzen Wühlarbeit der
Schar nichts zu merken. Ganz in die Karten versenkt, machte er
Donnerstags und Sonntags sein Spielchen und schien von dem
Geflüster hinter ihm nichts zu hören. Die Freunde redeten von der
Sache, gaben sich über seinen Kopf hinweg allerlei Zeichen,
verschworen sich an seinem eigenen Herde, als ob er gar nicht da
sei, so einfältig schien er; er blieb davon unberührt und all den
Dingen, wovon man flüsterte, dermaßen fern, daß man schließlich
lauter sprach, um sich über seine Zerstreutheit lustig zu machen.
Kam man auf seine Rückkehr zur Herrschaft zu sprechen, so wurde er
heftig und versicherte, er werde sich nicht von der Stelle rühren,
selbst wenn an der Straßenecke ein Triumphzug ihn erwarte; und in
Wirklichkeit spann er sich immer mehr in seine Häuslichkeit ein Und
stellte sich, als wisse er nicht das geringste von den Ereignissen
draußen. Das Haus in der Marbeufstraße, von dem eine so fieberhafte
Propaganda ausstrahlte, war selbst still und schläfrig, und an
seiner Schwelle nickten sich die Vertrauten verständnisvoll zu, um
den kriegerischen Geruch, den sie in ihren Kleidern mitbrachten,
draußen zu lassen.
    »Geht doch!« rief Du Poizat, »er hält uns alle zum besten. Er
hört uns sehr gut. Achtet am Abend nur auf seine Ohren; man sieht
ordentlich, wie sie sich spitzen.«
    Wenn sie sich um halb elf Uhr alle gemeinschaftlich
verabschiedeten, war dies gewöhnlich der Gegenstand ihrer
Unterhaltung. Es sei nicht möglich, daß der große Mann die
Ergebenheit seiner Freunde nicht beachte. »Er spielt den lieben
Gott«, fuhr der ehemalige Unterpräfekt fort. »Der verteufelte
Rougon lebt wie ein indischer Götze, selbstzufrieden die Hände über dem Bauche faltend und scheinheilig
auf die Schar seiner Getreuen herablächelnd, die ihn anbeten und
sich dabei den Leib aufschneiden.« Man fand diesen Vergleich sehr
treffend.
    »Ich werde ihn überwachen!« schloß Du Poizat.
    Doch vergebens studierte man Rougons Gesicht, man fand ihn stets
verschlossen, friedlich, fast naiv. Vielleicht war es keine
Verstellung. Übrigens war es auch Clorinde lieber, daß er sich in
nichts mischte. Sie fürchtete, er möge ihre Pläne durchkreuzen,
wenn man ihn eines Tages zwinge, die Augen zu öffnen. Man arbeitete
gleichsam gegen seinen Willen an seinem Glücke. Es handelte sich
darum, ihn unter allen Umständen vorwärts zu bringen, ihn gewaltsam
auf den Gipfel zu setzen. Dann werde man abrechnen.
    Da die Sache jedoch zu langsam vom Flecke rückte, begann die
Schar, endlich ungeduldig zu werden. Die beißenden Bemerkungen Du
Poizats brachten sie auf. Man zählte Rougon nicht geradezu alles
her, was man für ihn tat, aber man spickte ihn mit Anspielungen und
bitteren, zweideutigen Worten. Jetzt kam der Oberst zuweilen mit
weißbestäubten Stiefeln in die Gesellschaft, er hatte sich nicht
Zeit genommen erst heimzugehen, er hatte sich den ganzen Nachmittag
lahm gelaufen, ohne daß man es ihm danken werde. Ein andermal
klagte Herr Kahn mit vor Müdigkeit geschwollenen Augen, daß er seit
vier Wochen zu lange wach bleiben mußte; er gehe viel in
Gesellschaft, nicht etwa zu seinem Vergnügen – Gott bewahre! –
sondern um gewisse Leute in gewissen Angelegenheiten zu sprechen.
Oder Frau Correur trug rührende Geschichten vor von einer armen
jungen Frau, einer sehr ehrenwerten Witwe, der sie Gesellschaft
leiste; und sie bedauere, ihr nicht helfen zu können; wenn sie die
Regierung sei, werde sie Ungerechtigkeiten schon zu verhindern
wissen. Dann erzählten alle Freunde ihr
eigenes Elend. Jeder beklagte sich und schilderte, in welcher Lage
er sich befinden würde, wenn er sich nicht so dumm gezeigt hätte;
ein endloses Jammern, das durch die Blicke, die man Rougon zuwarf,
noch nachdrücklicher gemacht wurde. Man spornte ihn bis aufs Blut,
man verstieg sich so weit, Herrn von Marsy zu rühmen. Rougon
bewahrte demgegenüber lange seine Seelenruhe und schien nichts zu
verstehen. Nach einigen Wochen aber überflog bei gewissen
Wendungen, die er in seinem Salon vernehmen mußte, ein leichtes
Zucken seine Züge. Er wurde nicht heftig, er biß nur die Zähne
zusammen, wie wenn er Nadelstiche verspüre. Mit der Zeit wurde er
so nervös, daß er die Karten liegen ließ; er hatte kein Glück mehr
damit und ging lieber langsam auf und ab, plauderte mit seinen
Gästen und ließ sie plötzlich stehen, wenn die versteckten Vorwürfe
begannen. Zuweilen überkam ihn eine geheime Wut; er

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