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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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gegeben
haben. Und wenn andere uns fragen – fürchten Sie nichts, wir werden
Ihnen niemals schaden. Unmögliches kann man doch von niemandem
verlangen.
    Das fehlte noch! Er stellte sich vor, wie die Charbonnels in der
Provinz ankommen. Gleich am ersten Abend schwatzte das ganze
Städtchen. Das sei ein Mißerfolg für ihn persönlich, eine
Niederlage, von der er sich kaum im Laufe von Jahren erholen
werde.
    »Bleiben Sie!« rief er. »Ich will, daß Sie bleiben! Wir wollen
sehen, ob der Bischof Rochart mich auf einen Bissen
verschlingt!«
    Er lachte so beunruhigend, daß die Charbonnels erschraken.
Trotzdem sträubten sie sich noch immer. Endlich willigten sie ein,
noch einige Zeit in Paris zu bleiben, acht Tage, nicht länger. Der
Gatte löste mühsam wieder die Schnüre, womit er den kleinen Koffer
zusammengebunden hatte, die Frau zündete, obgleich es kaum drei Uhr
war, ein Licht an, um die Wäsche und die Kleider wieder in die
Schreine zu legen. Beim Abschiede drückte ihnen Rougon warm die
Hand, wobei er seine Versprechungen wiederholte.
    Zehn Schritte von der Haustür überkam ihn schon die Reue. Warum
hatte er diese Charbonnels zurückgehalten, da sie durchaus reisen
wollten? War das nicht die beste Art, sie sich vom Halse zu
schaffen? Jetzt hatte er sich mehr als je verpflichtet, ihnen zum
Siege zu verhelfen. Am ärgerlichsten war er gegen sich selbst,
indem er sich vorwarf, er habe den Einflüsterungen der Eitelkeit
nachgegeben. Das schien ihm seiner Kraft unwürdig.
Indessen, er hatte es versprochen, also
mußte er zu helfen suchen. Er ging die Bonapartestraße hinab, am
Ufer entlang und über die Brücke der heiligen Väter.
    Das Wetter war noch milde, auf dem Strome jedoch blies ein
heftiger Wind. Mitten auf der Brücke knöpfte er seinen Überrock zu,
als er vor sich eine starke Dame, in Pelze gewickelt, gewahrte, die
ihm den Weg versperrte. An der Stimme erkannte er Frau Correur.
    »Sie sind es!« sagte sie mit kläglicher Miene. »Ich muß Ihnen
begegnen, um Ihnen guten Tag zu sagen … Ich wäre eine Woche
lang nicht zu Ihnen gekommen. Nein, Sie sind nicht erkenntlich
genug.«
    Sie warf ihm vor, ihr einen schon seit Monaten geäußerten Wunsch
noch nicht erfüllt zu haben. Es handelte sich noch immer um das
Fräulein Herminie Billecoq, ehemalige Schülerin von St. Denis, die
ihr Verführer, ein Offizier, heiraten wolle, wenn ein
Menschenfreund die vorschriftsmäßige Mitgift beschaffen werde.
Übrigens werde sie von allen übrigen Damen verfolgt: Frau Witwe
Leturc erwarte ihren Tabaksladen; die anderen, Frau Chardon, Frau
Testanière, Frau Jalaguier, besuchten sie täglich, klagten ihr ihre
Not und erinnerten sie an die Versprechungen, die sie ihnen geben
zu können geglaubt hatte.
    »Ich habe auf Sie gerechnet«, sagte sie zum Schluß. »Sie haben
mich schön in der Tinte sitzen lassen! … Wissen Sie, ich gehe
jetzt zum Unterrichtsministerium wegen des Stipendiums für den
kleinen Jalaguier. Sie haben es mir versprochen.
    Seufzend fügte sie hinzu:
    »Wir müssen uns auf die Strümpfe machen, wenn Sie nicht mehr
unser aller lieber Herrgott sein wollen.«
    Rougon, dem der Wind lästig wurde, neigte sich über das Geländer
und sah in den Hafen St. Nicolas hinab, der dort ein Handelsviertel für sich bildet. Beständig Frau
Correur zuhörend, betrachtete er aufmerksam eine mit Zuckerhüten
beladene Pinasse, die eben ihre Ladung löschte, indem der Zucker in
einer aus zwei Brettern gebildeten Rinne hinabgelassen wurde.
Dreihundert Menschen sahen dieser Arbeit vom Ufer herab zu.
    »Ich bin nichts, ich vermag nichts«, versetzte er. »Sie tun
unrecht, mir zu zürnen.«
    Sie aber erwiderte stolz:
    »Lassen Sie nur, ich kenne Sie! Wenn Sie nur wollten, wären Sie
alles! Spielen Sie nicht den Heuchler, Eugen!«
    Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Die Vertraulichkeit
der Frau Melanie, wie er sie einst nannte, erweckte in ihm
Erinnerungen an das Hotel Kibitz, als er keine Stiefel an den Füßen
hatte und auszog, um Frankreich zu erobern. Er vergaß die Vorwürfe,
die er sich eben gemacht hatte, als er die Charbonnels verließ.
    »Also, was haben Sie mir zu erzählen?« sagte er gutmütig …
»Aber bitte, lassen Sie uns nicht hier bleiben, man erfriert hier.
Da Sie in die Grenellestraße gehen, begleite, ich Sie bis zum
Ufer.«
    Dann wandte er sich um und ging neben Frau Correur, ohne ihr den
Arm zu bieten. Sie fuhr fort, ausführlich ihre Kümmernisse zu
berichten:
    »Die anderen kümmern mich

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