Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Wirtschaftsexperten frei zu machen.
So wird dem Heiligen Vater angekündigt, dass in Italien eine
politische Ära zu Ende geht. Die europäische Finanzwelt verlangt Berlusconis
Rücktritt. Es scheint, als wolle Gotti Tedeschi begreiflich machen, was
geschehen ist und wie unvermeidlich es war: »Heute fordert Europa«, so fährt er
fort, »dass die amtierende Regierung nicht weitermacht, und um Zeit zu
gewinnen, wünscht es sich eine Übergangsregierung; diese Regierung von Monti
und anderen wird unpopuläre Maßnahmen ergreifen, zu denen sich eine politische
Regierung niemals entschließen könnte.« Und genau so ist es gekommen, doch auch
jetzt sieht die Zukunft nicht rosig aus.
Heute kann
Italien nicht auf seine »Souveränität«, seine Autonomie pochen und darf die
Empfehlungen nicht ignorieren, sonst läuft es Gefahr, dass seine Staatsanleihen
»toxisch« werden (siehe Griechenland) und das gesamte italienische Bankensystem
zusammenbricht und von Staatsanleihen überquillt (die Banca Intesa hat 60 Milliarden,
Unicredit 40). Um einen Bankrott zu vermeiden, brauchen wir die EZB und den IWF.
Diese kaufen aber nur, wenn wir uns sofort den Regeln unterwerfen. Wenn 2012
440 Milliarden Anleihen fällig werden, können unsere italienischen Banken keine
mehr kaufen, wer kauft sie also? Wenn es niemand tut, gehen wir
bankrott […] Wenn wir jetzt die verlangten Reformen durchführen (Brief der
EZB über Pensionen, Arbeit, Steuerhinterziehung, Liberalisierungen etc.),
müsste sich dies positiv auswirken und eine Rückkehr zum niedrigen Spread von 250 Basispunkten möglich sein. Dies würde geschehen, weil man anerkennt, dass
Italien in der Lage ist, seine Schulden zu kontrollieren und die notwendige
Entwicklung in Gang zu setzen.
Der Kardinal: »China erklärt uns den Krieg«
2008, am Vorabend der Olympischen Spiele in China,
setzt Kardinal Bertone große Hoffnung in eines der Länder, die Benedikt XVI. am meisten Sorgen machen. »Wir hoffen,
dass die Olympischen Spiele«, so verkündet er feierlich, »einen guten Anfang
und Verlauf nehmen und eine Gelegenheit darstellen, jedermann zu empfangen.
China ist jetzt ein offenes Land.« Optimismus kann nie schaden, aber der von
Bertone, der seit jeher gegenüber Peking eine Linie der »Ostpolitik« verfolgt,
ist übertrieben. Die Situation ist nämlich dramatisch. Die freie
Religionsausübung wird von den chinesischen Behörden behindert. So gibt es in
China eine offizielle Staatskirche, die Peking gehorcht, und eine
»Untergrundkirche«, unterstützt vom Vatikan.
67 Millionen Gläubige umfasst die christliche Gemeinde in China, [8] die
pro Jahr um 100 000
wächst. Nach anderen Schätzungen gehören der Staatskirche 5,7 Millionen an, der
Untergrundkirche acht bis zehn Millionen. 2007 sah die Lage noch
vielversprechend aus. Damals waren seit einem Jahr keine Ordinationen von
Bischöfen mehr ohne Zustimmung des Vatikans vollzogen worden, und Benedikt XVI. hatte einen Brief an die chinesischen
Christen gesandt, der zum Dialog aufforderte. Der Heilige Vater mahnte darin
eine Versöhnung zwischen der Staats- und der Untergrundkirche an, um die
Spaltung zu überwinden, wobei er allerdings der Katholisch-Patriotischen
Vereinigung (Associazione Patriottica Cattolica) in Peking keine Achtung
zollte, die seit 1957
die Staatskirche zusammen mit dem Rat der chinesischen Bischöfe »leitet«. Für
Ratzinger ist und bleibt diese Institution unvereinbar mit dem katholischen
Glauben. Wenige Monate später schrieb Bertone direkt an die chinesischen
Bischöfe und eröffnete einen »Dialog« mit Peking, »doch dieser Brief wurde von
manchen Bischöfen als zu nachsichtig gegenüber den chinesischen Behörden«
kritisiert, wie Sandro Magister, der Vatikanexperte von L’Espresso ,
feststellt. [9]
Alles schien sich zum Besten zu kehren, die Vereinigung der beiden
Zweige der chinesischen Kirche rückte näher, und es gab immer mehr Signale der
Entspannung von beiden Seiten. Sieben Bischöfe wurden mit Zustimmung sowohl
Roms als auch Pekings geweiht, in einem Klima des Wohlwollens, das mindestens
bis zum Sommer 2010
anhielt. Nach 15 Monaten der Entspannung wurde Bischof Julius Jia Zhiguo von der Diözese
Zhengdin in der Provinz Hebei, in der die größte katholische Gemeinde lebt,
freigelassen. Während seiner Haft war der Kleriker aufgefordert worden, sich
der Katholisch-Patriotischen Vereinigung anzuschließen. Er war der Einzelhaft
und politischer Indoktrinierung ausgesetzt
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