Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
stammen. Ich meine seine Einwände bezüglich meiner Auffassung
von der Rolle des CEI-Organs
[ Avvenire ], die darin wurzelt, dass ich der italienischen Kirche eine
öffentliche Stimme geben möchte, die so timbriert ist, dass sie die Politik
dazu zwingt, die Positionen der Kirche zu berücksichtigen. Der Fall der armen
Eluana war in diesem Zusammenhang von geradezu symbolhafter Bedeutung für die
Kritiker des Avvenire . Denn man durfte nur dann
hoffen, den Einfluss der Kirche auf die Politik begrenzen zu können und ihn im
Kontext neuer Zukunftsszenarien flexibler und passender zu gestalten, wenn man
die Chefredaktion umging. Und genau hier zeigt sich jene Unbedarftheit, die das
Vorgehen des Osservatore -Chefs kennzeichnet. Aber
diese Diskussion geht mich eigentlich nichts an.
Aber ich frage mich, was jetzt zu tun ist. Monsignore, ich
versichere Ihnen, dass ich keinen Finger rühren werde, um diese Darlegung der
Fakten an die Öffentlichkeit zu bringen: Die höheren Interessen der Kirche sind
der Kompass meines Handelns. Ich habe zwar meine Arbeit verloren, eine Arbeit,
an die ich sehr geglaubt habe. Dennoch hege ich keine Rachegelüste. Allerdings
steht fest, dass die tatsächlichen Ereignisse für Il Giornale heute kein Geheimnis mehr sind und dass die Hintergründe der Geschichte trotz
eventuell gegebener Versprechen jederzeit an die Presse gelangen könnten. Es mangelt
nicht an Leuten, die sich bereits darangemacht haben, mit eigenen Mitteln die
Wahrheit ans Licht zu bringen. Daher, Monsignore, halte ich es für angebracht,
Sie darüber in Kenntnis zu setzen, was ich in Erfahrung gebracht habe, und Sie
in gewisser Weise auch vor einem Szenario zu warnen, das sich innerhalb kurzer
Zeit abzeichnen könnte.
Selbstverständlich stehe ich über das hier Dargelegte hinaus zur
Verfügung.
Damit bitte ich Sie, Monsignore, mir die Unannehmlichkeiten, die
ich Ihnen bereite, nachzusehen, und verbleibe als der Ihre
Dino Boffo
Dokument 3 [3]
Vertraulich
An Monsignor Georg Gänswein
Ich klopfe ein zweites Mal an und bitte um Entschuldigung. Ich
rechne damit, Sie nicht noch einmal belästigen zu müssen. In ergebenster und
dankbarster Hochachtung,
Ihr ergebenster
Dino Boffo
(4 Blätter, einschließlich dieses Anschreibens)
Hochwürdigster Monsignore,
vor allem möchte ich Ihnen aufrichtig für Ihren priesterlichen
Beistand und die Offenheit danken, die Sie mir gestern, am 11. Januar 2010,
in unserem Telefongespräch entgegengebracht haben. Gott weiß, wie leid es mir
tut, Ihnen so großes Ungemach zu bereiten.
Mit Ihrer Erlaubnis, Monsignore, möchte ich ein Detail hinzufügen,
das mir gestern nicht augenblicklich in den Sinn gekommen ist. Wir sprachen von
jenem Gerücht, das, wenn ich richtig verstanden habe, bereits in einigen
vatikanischen Behörden die Runde machte, und ich habe Ihnen vertraulich von
einer einzigen Spur berichtet. Sie lässt auf eine Verbindung schließen, die
über Monsignor Angelo Pirovano [Referatsleiter im Staatssekretariat]
zustande gekommen ist. Nachdem wir unser Telefongespräch beendet hatten, ist
mir noch etwas eingefallen, und es tut mir leid, dass ich nicht gleich daran
gedacht habe. Bereits im Jahr 2000 oder 2001 ist mir nämlich zu Ohren gekommen, dass ein
gewisser Monsignor Pio Pinto nicht sonderlich gut von mir sprach. Pinto
arbeitete damals, wenn ich mich nicht irre, bei der Römischen Rota [dem
Appellationsgerichtshof der katholischen Kirche]. Ich lernte ihn kennen, als
ich in jenem Jahr ein Apartment bewohnte, das mir freundlicherweise im
Dachgeschoss des Palazzo di Propaganda Fide an der Piazza di Spagna zur
Verfügung gestellt worden war. Pinto, ein merkwürdiger, etwas schwärmerisch
veranlagter Mann, hatte seine Wohnung im selben Haus. Ab und zu begegneten wir
uns, wechselten ein, zwei Worte und nahmen uns vor, irgendwann einmal abends
essen zu gehen. Allerdings habe ich das nicht weiterverfolgt, zumal mich der
Kurientratsch nie besonders interessiert hat. Ich sage: ein merkwürdiger Mann,
weil er abends nicht selten die Haustür halb offen ließ, was mir, etwa wenn ich
spät heimkam, regelmäßig einen Schrecken einjagte. Nun, ich erinnere mich, dass
ich schon nicht mehr dort wohnte, als man mir eines Tages berichtete, dieser Priester
verbreite eindeutige Verdächtigungen gegen mich. Ehrlich gesagt beunruhigte
mich dieser Gedanke nicht weiter, und ich erinnere mich, dass ich meinem
amüsierten Gesprächspartner damals erwiderte, vermutlich
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