Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
gegenüber auch seine Anwälte geäußert, die
verzweifelt darüber sind, dass er auf niemanden hört und impulsiv handelt.
Eminenz, ich frage Sie auf Knien, und Sie mögen daraus ersehen, in
welchem Geist ich Ihnen zu schreiben wage: Glauben Sie nicht, dass die Kirche
ein Zeichen setzen und irgendetwas unternehmen müsste, um mich öffentlich zu
rehabilitieren? Dann dürfte man hoffen, dass sich die hitzige Diskussion ein
wenig beruhigt … Ich möchte Ihnen nicht verhehlen, und auch andere Personen
meines Vertrauens denken so, dass es gegenwärtig nicht so sehr die irrwitzigen
Äußerungen Feltris und seines Kontrahenten Travaglio sind, die dem Berufsstand
des Journalisten Schaden zufügen – jeder weiß doch, wie sie zu bewerten sind.
Vielmehr ist es das Schweigen der Kirche, das die Leute als Verdachtsmoment
begreifen. Sie vergessen, dass Sie sich bereits geäußert haben, und wie! Dass
Sie eine Erklärung haben verfassen lassen, auch nach dem 4. Dezember noch, als
Feltris Rückzieher veröffentlicht wurde. Bedauerlicherweise ist dann die
Verwicklung höherer Kreise publik geworden, was den Verdacht in den Augen
mancher noch erhärtet hat. Wenn ich sicher wäre, dass mir die CEI zur Seite
steht, sähe die Sache schon anders aus. Jeder, der es wissen wollte, würde
erkennen, dass ich nicht mir selbst überlassen bin, sondern dass die CEI auf ihre
Weise mit mir solidarisch ist. Dass ich einfach zu Hause bin, um das Ende der
ganzen Geschichte abzuwarten, aber dass ich mich nicht von meinem ehemaligen
Verleger verstoßen fühle … Ich bitte Sie inständig: Können wir die Sache nicht
öffentlich machen (im Sinne von Artikel 2, mit Einwilligung der CEI), sodass sie
bekannt wird und sich das Klima etwas beruhigt? Gibt es Gründe, die dagegen
sprechen? Vielleicht ja … Oder denken Sie, Eminenz – und hier gerate ich
wahrhaftig ins Zittern –, dass das dringend notwendige Zeichen auf andere Weise
gesetzt werden kann? Sollte ich aber heute das Jobangebot, das mir La Stampa unterbreitet hat, akzeptieren, wird dann in
diesem Klima nicht irgendjemand behaupten, ich könne mich in meinem
eigentlichen Umfeld nicht mehr halten, weil, weil, weil.
Ich möchte Sie nicht in Bedrängnis bringen, ich möchte gar nichts
von Ihnen, Eminenz. Ich möchte nur verschwinden, aber verschwinden kann ich
nicht. Und deshalb bin ich hier und spreche noch einmal zu Ihnen, das Herz auf
der Zunge, um gemeinsam mit Ihnen, Schritt für Schritt, diese Angelegenheit zu
analysieren, die kein Ende nehmen will (vielleicht aber – und das ist die
letzte Erklärung, die ich zu finden vermag – ist die Verwicklung, die hinter
alldem steckt, auch zu groß, als dass sie ignoriert werden oder im Schlund der
Vergangenheit verschwinden könnte …).
Mir fehlen die Worte, um mich bei Ihnen zu entschuldigen, bei
Ihnen, den ich als Menschen und Bischof herzlich verehre und den auf diese
Weise zu belästigen mir unsagbar leidtut.
Ihr ergebenster
Dino Boffo
Dokument 5 [5]
Titularerzbischof von Ulpiana
Generalsekretär des Governorats
Heiliger Vater,
leider sehe ich mich gezwungen, Eure Heiligkeit wegen einer
nicht nachvollziehbaren ernsten Lage anzurufen, die die Leitung des
Governatorats und meine Person betrifft.
Der hochwürdigste Kardinal Lajolo, der mich mit seiner
Wertschätzung und und seinem Vertrauen tröstet, ist jedoch in seiner großen
Herzensgüte um Versöhnlichkeit bemüht; er scheint die Tragweite nicht gänzlich
wahrzunehmen und ermuntert mich, mit meiner Arbeit in aller Seelenruhe
fortzufahren.
Meine Versetzung aus dem Governatorat würde bei denen, die da
glaubten, man könne zahlreiche Praktiken der Korruption und des Amtsmissbrauchs
abstellen, die sich in der Führung verschiedener Abteilungen seit Langem
eingenistet haben, tiefe Verunsicherung und Bedrückung auslösen.
Die hochwürdigsten Kardinäle De Paolis, Sardi und Comastri sind
über die Lage genau im Bilde und könnten Eure Heiligkeit mit umfassender
Kenntnis und Aufrichtigkeit informieren.
Ich gebe Eurer Heiligkeit auch den Brief zu Händen, den ich an den
hochwürdigsten Kardinalstaatssekretär adressiert habe, damit Sie nach Ihrem
erlauchten Willen darüber verfügen. Mir ist nur am Wohl der Heiligen Kirche
Christi gelegen.
Mit aufrichtigen Gefühlen tiefster Verehrung,
Euer Heiligkeit
ergebenster Sohn
† Carlo Maria Viganò
Dokument 6 [6]
27.XI.2010
Der Staatssekretär
im Ministerratspräsidium
Hochwürdigster
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