Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
gibt es
dort nicht. Keine Hightechanlagen, wie sie im Weißen Haus zu finden sind. Nicht
einmal eine ausgeklügelte Alarmanlage. Und dennoch ist das Büro des Heiligen
Vaters die Schaltstelle einer Weltmacht. Das pulsierende Herz der Kirche, ein
Zimmer, unzugänglich für die rund eine Milliarde Katholiken auf der ganzen
Welt. Hier erteilt der Papst seinen Privatsekretären, die die heikelsten
Dokumente herausfiltern, Anweisungen. Hier trifft er schwerwiegende
Entscheidungen.
Was Sie in diesem Buch lesen werden, sind die Geheimdokumente Benedikts XVI. Hunderte von Dokumenten, die ein Licht
werfen auf die missliche Lage, in der sich die Kirche Tag für Tag befindet,
zwischen verschütteten Wahrheiten, überwundenen Notlagen, anhaltenden Problemen
und eifersüchtig gehüteten Geheimnissen. Geheimnisse waren es freilich nur bis
zu dem Augenblick, als unser Mann, der das Profil Joseph Ratzingers an jenem
Januarnachmittag einen Moment lang im Spiel von Licht und Schatten erspähte,
endgültig zu der Überzeugung gelangte, die Dokumente an die Öffentlichkeit bringen
zu müssen – ungeachtet der Folgen, die dies für ihn persönlich haben würde.
Sie lesen dieses Buch, weil weder der Heilige Stuhl noch sonst
jemand die Veröffentlichung verhindert hat. Nur deshalb haben wir die
Möglichkeit, Dossiers, Informationen und Schriftstücke abzudrucken und zu
kommentieren. Zum ersten Mal in der Geschichte verlassen solche Dokumente die
Kurie. Wir alle haben nun Zugang zu den heiligen Hallen – nicht mehr nur
zu den Wunderwerken der Sixtinischen Kapelle und den Schätzen der Vatikanischen
Museen, nicht mehr nur zur Lehre der Kirche, sondern zum Schreibtisch Benedikts XVI., zu finanziellen Machenschaften und
Affären, zu den Verschwörungen, auf die durch die Dokumente aus den päpstlichen
Privatgemächern ein grelles Licht fällt.
Mein Dank gilt schon jetzt jenem mutigen Mann, dem ich über viele
Monate hinweg immer wieder begegnet bin und ohne den dieses Buch nie entstanden
wäre.
»Maria« – der Informant
In den Privatgemächern Benedikts XVI.
Joseph Ratzinger beginnt den Tag zwischen 6.30 Uhr
und 6.45 Uhr
in der päpstlichen Wohnung im dritten Stock des Apostolischen Palastes. Nach
der Körperpflege durchquert er den Korridor, der zur Privatkapelle führt, wo er
um 7.30 Uhr
die Messe feiert. Nach der Liturgie, gegen 8 Uhr, verharrt er mit dem
Brevier noch eine Weile im Gebet, um dann, gegen 8.30 Uhr, im Speisezimmer mit
seinen engsten Mitarbeitern ein kleines Frühstück einzunehmen. Bei Tisch
bevorzugt er Milch, entkoffeinierten Kaffee, Brot mit Butter und Marmelade
sowie gelegentlich etwas Süßes. [1]
Um die Bedürfnisse Benedikts XVI.
kümmern sich die Mitglieder der päpstlichen Familie, allen voran die
Mitarbeiter in den Privatgemächern: Paolo Gabriele, [2] der
Kammerdiener des Papstes, eine Art Majordomus, sowie die der Laienvereinigung
Memores Domini, einer Untergliederung von Comunione e Liberazione (Gemeinschaft
und Befreiung), angehörenden Frauen Carmela, Loredana, Cristina und Rossella,
welche – als Letzte hinzugekommen – seit Dezember 2010 Manuela Camagni
ersetzt. Camagni war, nachdem sie die Porta Sant’Anna, den Haupteingang des
Vatikans, passiert hatte, was sie selten tat, auf der Via Nomentana von einem
Auto überfahren worden. Den vier Mitarbeiterinnen entgeht kein Wunsch und keine
Bemerkung des Heiligen Vaters. Dann gibt es die beiden Privatsekretäre. Der
bekanntere ist der deutsche Priester Georg Gänswein, der Domvikar in Freiburg
war, bevor er nach Rom kam. Hier reichte seine Tätigkeit von der
Glaubenskongregation, die damals unter Ratzingers Leitung stand, bis hin zu
einem Lehrstuhl für Kirchenrecht an der Päpstlichen Universität vom Heiligen
Kreuz. [3] Alle nennen ihn Padre oder Don Georg oder auch Don Giorgio.
Der zweite Sekretär ist der maltesische Priester Alfred Xuereb, Jahrgang 1958.
Er stammt aus der Diözese Gozo und ist offiziell als Minutant im
Staatssekretariat angestellt.
Der Lebensstil Benedikts XVI.
ist geradezu klösterlich. Die privaten Momente teilt er mit wenigen Menschen.
Ein typisches Beispiel dafür ist das Mittagessen. Paul VI. ging mit seinen Privatsekretären zu Tisch;
Johannes Paul II. lud gern Bischöfe
und Kardinäle ein – vorzugsweise aus Polen. Benedikt XVI.
ist vor allem den erwähnten Mitarbeiterinnen verbunden, welche die Mahlzeiten
zubereiten, die Wohnung in Ordnung halten und immer ein Lächeln für den Papst
auf den Lippen tragen.
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