Seine junge Geliebte
das Wort Schopenhauers benutzt, um sein Bild entsprechend zu schaffen.«
»Aber wir sollten uns nicht allzulange mit solchen traurigen Gedanken beschäftigen.« Bärbel deutete auf die beiden Gläser die auf dem Tisch standen. »Ich dachte, wir nehmen hier einen Willkommenstrunk, bevor wir uns in Ihre Kneipe begeben. Ich habe eine Flasche Sekt kalt gestellt. Sie entschuldigen mich einen Augenblick!«
Sie verschwand in der Küche. Heidmann blieb vor dem Bad stehen und schaute es an. Er kannte den Maler recht gut, aber er hatte ihm niemals eine solch starke Ausdruckskraft zugetraut.
»Darf ich bitten?« riß ihn Bärbels Stimme aus seinen Gedanken. Sie löste den Drahtverschluß, zog am Korken, fuhr aber erschrocken zusammen, als dieser mit einem lauten Knall aus dem Flaschenhals fuhr und gegen das Bild flog, vor dem die beiden standen.
Johann Heidmann nahm der völlig verblüfften Bärbel Linke die Flasche aus der Hand, aus der der Sekt perlte und sich auf den Fußboden ergoß. Er füllte rasch die beiden Gläser, stellte die Flasche zurück und schaute Bärbel schmunzelnd an. »Sie sind nie bei Dr. Bruckner in die Schule gegangen. Sonst hätten Sie gewußt, daß man einen Sektkorken niemals lösen darf, ohne ein Tuch darumzuschlingen, das die Wucht der Kohlensäure abfängt.« Er trat an das Bild und betrachtete das Glas. »Sie haben Glück gehabt. Es ist nichts passiert. Die Gewalt eines solchen herausgeschleuderten Korkens ist nämlich sehr stark. Also –«, er hob sein Glas, »stoßen wir an auf –«, er zögerte einen Augenblick, dann sagte er frisch: »unsere Bekanntschaft!«
»Gut – auf unsere Bekanntschaft!« Während sie den Sekt in kleinen Schlucken tranken, ließ Bärbel keinen Blick von Heidmann, der sie lächelnd anschaute. Sie hatte plötzlich das Gefühl, in eine andere Welt zu kommen, in eine Welt, die sie vorher nie kennengelernt hatte. Sie wußte nicht, ob sie sich darüber freuen oder entsetzt sein sollte. Sie empfand etwas wie ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Mann, der krank in der Klinik lag, für den sie alles bedeutete und der für sie bis jetzt auch viel bedeutet hatte. Ihr Leben schien sich zu ändern. Sie merkte, daß es viel angenehmer war, mit einem gleichaltrigen Menschen zusammenzusein als mit einem Mann, der so viel älter war als sie. Sicher war er der Beständigere, war er der Mann, der ihr geben konnte, was die meisten Frauen wünschten: Sicherheit und Geborgenheit. Aber hier war jemand, der das Leben genauso liebte, wie sie es tat …
Sie trank ihr Glas leer und hob die Flasche auf. »Ein kleiner Rest ist noch übriggeblieben – dank Ihrer Geistesgegenwart. Wenn Sie nicht aufgepaßt hätten, wäre der ganze Inhalt jetzt auf dem Teppich.« Sie füllte den Rest in die Gläser ein. »Trinken wir das zweite Glas auf –«, Bärbel überlegte, »Peter Sartorius«, beendete sie den Satz. »Der Arme liegt im Krankenhaus. Er tut mir so leid. Ausgerechnet jetzt, wo ich fortfahre, muß er krank werden. Er sagte mir, daß bei ihm die Tränenwege in Ordnung gebracht werden müssen?«
Dr. Heidmann hatte das Gefühl, daß sie nicht so recht daran zu glauben schien, was ihr Sartorius gesagt hatte. Einen Augenblick lang war er geneigt, ihr die Wahrheit zu sagen. Wenn sie erführe, weshalb er diesen Eingriff durchführen ließ, daß er es nur tat, weil er jünger aussehen wollte, könnten die Chancen für ihn besser stehen. Aber so etwas durfte er nicht tun. Es wäre nicht nur ein Verstoß gegen die ärztliche Ethik, es wäre auch unfair. Er mußte versuchen, Bärbel durch seinen Charme zu gewinnen, ohne den anderen zu diskreditieren.
»Ja –«, antwortete er ausweichend, »solche Sachen kommen vor. Es ist aber keine schlimme Sache. Sie brauchen sich wirklich keine Gedanken darüber zu machen.« Er griff nach dem Glas, hielt es an den Mund, legte seinen Kopf scherzend weit nach hinten über, um anzudeuten, daß er auch den letzten Tropfen aus dem Glas herausholte, und stellte es dann lachend auf den Tisch zurück. »Es ist nichts mehr drin …«
»Ich könnte eine neue Flasche aufmachen, aber –«, Bärbel schaute auf die Uhr, »ich glaube, es ist besser, wir gehen. Ich habe Hunger.«
Heidmann meinte: »Viel zu essen gibt es im Malkasten aber nicht. Der gute Axel serviert nur Kleinigkeiten.«
»So groß ist mein Hunger auch wieder nicht«, erwiderte Bärbel lachend. Sie nahm die Gläser, ging in die Küche, kam wieder zurück und schaute Heidmann an. »Von mir aus
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