Seine junge Geliebte
gedankenverloren seine Pfeife aus der Tasche, stopfte sie und nahm dankend das angerissene Zündholz entgegen, das Dr. Phisto ihm reichte.
»Und wo ist er?« Neugierig schaute Dr. Phisto Dr. Bruckner an.
Dr. Bruckner paffte eine Rauchwolke in die Luft. Schmunzelnd schaute er durch sie hindurch Dr. Phisto an. »Das werde ich Ihnen auf keinen Fall verraten. Sie kriegen es fertig und tauchen auch dort auf. Und davor möchte ich meinen Kollegen Heidmann bewahren. Wie sagt der Dichter: ›Wo still ein Herz in Liebe glüht – so rühre, rühre nicht daran!‹« Mit dem Pfeifenstiel deutete er auf das Operationsprogramm. »Sie brauchen zwar morgen früh keine Anästhesie zu machen«, erklärte er, »ich will den Eingriff in örtlicher Betäubung durchführen; aber ich möchte Sie trotzdem bitten dabeizusein. Man weiß nie, ob man nicht doch den Rat eines erfahrenen Anästhesisten braucht. Vergessen Sie nicht, daß wir schon um sieben Uhr beginnen.«
Johann Heidmann betrat Bärbels Appartement. Überrascht blieb er stehen und schaute sich um. »Donnerwetter«, entfuhr es ihm. »Sie haben es aber schön.«
»Man tut, was man kann!« Bärbel war in der Küche verschwunden, füllte Wasser in eine Vase und stellte die Rosen hinein, die Heidmann ihr mitgebracht hatte.
»Es ist sehr gemütlich hier. Und die schönen Bilder …« Heidmann betrachtete die Lithographien, die in überreicher Zahl an den Wänden hingen. »Man weiß gar nicht, wo man hinschauen soll.«
»Das erspart Tapeten!« Bärbel war neben Heidmann getreten. Er spürte die Wärme ihres Körpers, die leichte Berührung.
»Sie haben es hier wunderschön.«
»Es freut mich, daß es Ihnen gefällt.« Fragend schaute sie dann ihren Besucher an, als dieser kopfschüttelnd vor einem Holzschnitt stand. »Gefällt Ihnen das Bild nicht?«
»Doch – es gefällt mir sehr gut. Ich staune nur über eins …«
»Und was ist das?«
Heidmann deutete auf die Signatur am unteren Rande des Bildes. »Woher haben Sie das?«
Bärbel trat dicht an das Bild heran. Ihr Arm berührte Heidmanns Arm. »Das habe ich neulich auf einer Ausstellung gekauft. Es gefiel mir so gut. Die Ausstellung stand unter dem Motto ›Moderne Apokalypse‹. Die Bilder drückten so trefflich den Zustand der jetzigen Gesellschaft aus, die ja –«, ihre Stimme wurde ernst, »wirklich einer Apokalypse, einem Weltuntergang entgegengeht – wenn sie sich nicht schon mitten darin befindet.« Sie rückte das Bild, das ein wenig schief hing, gerade. »Was haben Sie an dem Bild auszusetzen?«
Dr. Heidmann hatte das Gefühl, daß ihre Stimme beleidigt klang. Er versuchte einzurenken: »Ich habe absolut nichts gegen das Bild. Ganz im Gegenteil –«, er wandte sich um und schaute Bärbel voll an. »Ich sagte Ihnen doch, daß wir heute in die Kneipe eines Freundes gehen wollen – Axels Malkasten.«
»Das sagten Sie. Ist etwa –«, Bärbel trat näher an das Bild heran und las noch einmal den Namen des Künstlers, »der Axel, der dieses Bild gemalt hat, identisch mit dem Inhaber des Weinlokals, wohin Sie gehen wollen?«
Heidmann nickte. »Es ist merkwürdig, wie seltsam manchmal das Schicksal spielt. Axel Schneider ist dieser alte Freund von mir. Ich glaube, ich sagte Ihnen bereits, daß ich zusammen mit ihm die Uni besuchte. Es ist doch merkwürdig, daß Sie ausgerechnet seinem Bild hier –«, Heidmann deutete auf den Holzschnitt, »einen Ehrenplatz eingeräumt haben.«
Bärbel betrachtete sinnend das Blatt. Ihre Stimme war jetzt ganz ernst: »Es ist seltsam, daß mich dieses Bild am meisten von allen Bildern bewegt, die ich gesehen habe. Die untergehende Sonne –«, sie deutete auf einen Kreis im Hintergrund, »von der man nicht weiß, ob sie nicht für ewig im Meer versinkt, um nie wieder aufzutauchen. Der Mensch, der ohnmächtig zusammenbricht – der andere, der bereits am Boden liegt.«
»Apokalypse 2000«, vollendete Heidmann den Satz der jungen Frau. »So hatte mein Freund seine Arbeit überschrieben.«
Die beiden standen vor dem Bild. Johann Heidmann fühlte die angenehme Nähe von Bärbels Körper. Am liebsten hätte er seinen Arm um ihre Schultern gelegt. Er hätte es wahrscheinlich auch getan, wenn ihn nicht das Motiv des Bildes davon abgehalten hätte.
»Herrlich zu sehen, aber schrecklich zu sein!« Bärbel trat einen Schritt zurück. Sie schaute Heidmann ernst an. »Das Wort Schopenhauers scheint für dieses Bild gesagt worden zu sein …«
»Oder aber der Künstler hat
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