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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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Auffassungsgabe um diese Uhrzeit noch nicht.
    Mindestens einer der Kollegen ist leider immer ein übelst gut gelaunter Frühaufsteher, der mich lautstark quasselnd oder Witze reißend beim Wachwerden stört. Deshalb verkrümele ich mich rasch an den PC , sehe dort in Ruhe meine Mails durch, schaue aktuelle Fahndungen und Haftbefehle an und versuche, mir Gesichter und Namen einzuprägen. Erst wenn der für diesen Tag mit mir auf dem Dienstplan stehende Kollege neben mir auftaucht und das Zauberwort »Einsatz« spricht, erhebe ich mich.
    Während wir zum Streifenwagen gehen, erzählt er mir, was los ist. Heute ist es ein Einbruch in ein Reifenlager. Frühdienste am Montag sind immer gespickt mit Einsätzen zu Taten, die eigentlich am Wochenende passiert sind, aber jetzt erst entdeckt werden.
    Gemächlich rollen wir durch die immer noch menschenleeren Straßen in Richtung unserer Zieladresse. Vor dem Reifenhandel erwartet uns ein aufgeregter Mann. Da ich immer noch leicht verschlafen und kommunikativ deshalb nicht gänzlich auf der Höhe bin, überlasse ich meinem Kollegen das Reden und betrachte die Hebelspuren am schweren Rolltor, die Reifenspuren auf der Rasenfläche davor und den fehlenden Stapel Autoreifen samt teurer Felgen.
    Während der Kollege Personalien und Tatzeitraum notiert, mache ich ein paar Fotos und sehe mich in der Umgebung um. Die Erfahrung sagt, dass Täter sich selten mit nur einem Tatort zufriedengeben. Wenn sie an einem Ort erfolgreich waren und nicht bemerkt wurden, schlagen sie meist in der Nähe noch einmal zu.
    Auch diesmal wird diese Erfahrung bestätigt. Als wir gerade einsteigen und die Örtlichkeit verlassen wollen, winkt uns ein Mann vom gegenüberliegenden Gebrauchtwagenhandel heran, und wir trotten über die Straße. Tatsächlich, auch hier haben die Kerle am Wochenende zugeschlagen. Mehrere der zum Verkauf angebotenen Autos stehen nur noch auf Pflastersteinen, Reifen und Felgen sind weg.
    Diesmal notiere ich die Personalien, und mein Kollege beschaut sich den Schaden und sucht nach Spuren, die hier jedoch leider fehlen. Er kratzt sich nachdenklich am Kopf, und wir steigen schließlich wieder in den Streifenwagen. »Dreist ist das. Wir sind nachts am Wochenende in der Gegend verstärkt Streife gefahren, die Zivilen waren hier auch unterwegs. Kann doch nicht sein, dass die nichts gesehen haben!«
    Ich zucke mit den Achseln. Wir wissen beide, dass wir im Nachtdienst zwar Präsenz zeigen können, dass die Chance, jemanden bei einer Missetat zu erwischen, aber recht gering ist, da man unsere lauten Dieselmotoren in der Stille der Nacht bereits von Weitem hört und somit jeder Einbrecher gewarnt ist. Ganz abgesehen davon, dass es gerade in den Industriegebieten jede Menge Versteckmöglichkeiten und dunkle Winkel gibt. Im Vorbeifahren nimmt man oft kaum wahr, dass sich dort jemand verborgen hält.
    Wir drehen weiter unsere Runde, rollen an der Grundschule vorbei, winken ein paar Schulkindern zu, und ich kann auf unserem Streifenplan, auf dem wir unsere Einsätze und Tätigkeiten eines Dienstes vermerken, ein Häkchen an den Punkt »Schulwegüberwachung« machen.
    Am Fußgängerüberweg stoppen wir und halten einen kurzen Plausch mit dem Schülerlotsen, als ein flammend roter Minivan an uns vorbeidüst. Er ist deutlich zu schnell, die Kinder auf dem Rücksitz sind nicht angeschnallt, und die Fahrerin spricht fleißig in ihr Mobiltelefon. Den Fußgängerüberweg oder gar unseren Streifenwagen scheint sie nicht gesehen zu haben.
    Zwischen meinem Kollegen und mir ist kein Wort notwendig. Gleichzeitig springen wir in den Streifenwagen, und dank der immer noch recht leeren Straßen haben wir den roten Van bald eingeholt. »Stop Polizei«, leuchtet es auf unserem Dach auf, aber die Dame reagiert erst, nachdem ich zusätzlich das Blaulicht eingeschaltet und per Außenlautsprecher den ganzen Häuserblock geweckt habe.
    Da meine schlechte Frühdienstlaune immer noch nicht ganz verflogen ist, führt mein Kollege auch dieses Gespräch, während ich auf der Beifahrerseite stehe und den Kindergartenkindern auf dem Rücksitz lustige Grimassen schneide. Sie antworten ebenfalls mit Grimassen. Ein bisschen Spaß muss sein, und die Dame redet sich gerade so in Rage, dass sie meine Spielereien gar nicht mitbekommt.
    »Ich habe nicht telefoniert, und ich war auch gar nicht zu schnell, ich musste nur mal eben …«, will sie dem Kollegen gerade weismachen.
    Der unterbricht sie und weist sie höflich darauf hin,

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