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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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dass ihr Telefon blinkend auf dem Beifahrersitz liegt und der Anrufer offenbar immer noch in der Leitung ist.
    Das wiederum führt so sicher wie das Amen in der Kirche zum üblichen Konter fast jedes erwischten Verkehrssünders: »Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich nichts Besseres zu tun?«
    »Nö!«, erwidert mein Kollege wahrheitsgemäß und notiert ihre Daten aus ihren Fahrzeugpapieren und dem Führerschein. »Wir sichern hier den Schulweg, den irgendwann auch Ihre Kinder gehen werden, und daher ist es doch sicher auch in Ihrem Interesse, wenn wir dafür sorgen, dass jeder sich an die Verkehrsregeln hält!«
    »Ich fahre seit fünfzehn Jahren unfallfrei!«, ätzt sie ihn an, und ich bin wirklich froh, dass er mit ihr redet und nicht ich, denn mit meiner Frühdienstlaune hätte ich ihr bestimmt schon mindestens eine ziemlich unfreundliche Antwort gegeben.
    Nicht so mein Kollege. Geduldig erklärt er ihr noch mal, was genau sie falsch gemacht hat – Kinder nicht angeschnallt, zu schnell, Telefon am Ohr –, während ich immer noch lustige Grimassen schneide und den Kindern durchs Fenster bedeute, dass sie sich anschnallen sollen. Kichernd ahmen der Junge und das Mädchen meine wilden Anschnallbewegungen nach, und zwei Minuten später rollt der Minivan mit angeschnallten Kids und einer stinksauren Mutter weiter, die noch saurer werden wird, wenn sie demnächst Post von der Bußgeldstelle bekommt.
    »Na, da bin ich ja froh, dass du Spaß hattest. Strebst du eine Karriere als Verkehrserziehungsclown an?« Mein Kollege haut mir leicht auf die Mütze, die ich tatsächlich ausnahmsweise mal zur Kinderbelustigung angezogen habe.
    Dummerweise sind es tatsächlich weniger die jugendlichen Rowdys, die sich morgens und mittags an Schulen und Kindergärten nicht an die Verkehrsregeln halten, sondern überwiegend die Muttis, die »nur mal schnell« ihre Kinder abliefern müssen oder »nur mal grad hier eben« auf dem Fußgängerüberweg parken, weil ja sonst kein Platz ist. Da redet man sich den Mund fusselig und versucht zu erklären, dass solch ein Verhalten die Kinder gefährdet. Doch ich habe eigentlich nie den Eindruck, dass das zu nennenswerter Einsicht führt. Deshalb sind wir ganz froh, dass wir unsere Knolle für diesen Tag gemacht haben und uns anderen Aufgaben zuwenden können.
    Entgegen einer verbreiteten Annahme gibt es für uns übrigens keine Verpflichtung, eine bestimmte Anzahl von Strafzetteln zu verteilen. In ruhigeren Diensten wird von uns auf Streife aber durchaus erwartet, dass wir nicht die Hände in den Schoß legen und ein bisschen spazieren fahren, sondern dass wir Verkehrsüberwachung betreiben, Verwarnungsgelder erheben oder auch Anzeigen schreiben.
    Der Funker schickt uns zu zwei weiteren Einbrüchen, diesmal in zwei Kellerabteilen eines Hochhauses. Geklaut wurde nichts, ein paar Jugendliche haben dort wohl lediglich ein wenig gefeiert und den Weinvorrat geplündert. Die leeren Flaschen stehen noch rum, Hinweise auf die Täter gibt es keine, und gesehen haben will auch keiner was.
    Anschließend, auf dem Weg zur Wache, finden wir noch einen kleinen Verkehrsunfall, den wir aufnehmen und den Fehler beim Rangieren mit einem Verwarnungsgeld ahnden. Ich mag kleine Unfälle. Es gibt nichts Ekliges zu sehen, niemand wurde wirklich verletzt, und wir werden meist freudig begrüßt, was sonst ja eher selten der Fall ist. Die Sachlage ist in der Regel einfach zu durchschauen, viel Schreibkram ist es ebenfalls nicht, und wenn wir uns verabschieden, können wir sicher sein, zumindest dem Geschädigten des Unfalls geholfen zu haben.
    Heute ist der Übeltäter ein älterer Herr, der beim Rückwärtsfahren den Kleinwagen einer jungen Frau übersehen hat. Es hat ein bisschen geknirscht, der Lack ist beschädigt, aber beide Autos fahren noch. Und wenn man von der sauren Miene des Mannes absieht, der sich ärgert, weil er für seine Unachtsamkeit nun auch noch zur Kasse gebeten wird, sind beide Beteiligten froh, dass wir ihnen Tipps geben können, was sie als Nächstes in Bezug auf ihre Kfz-Versicherungen tun müssen. Als wir uns verabschieden, bedanken sie sich sogar beide bei uns, was meine Frühdienst-Scheißlaune tatsächlich komplett verschwinden lässt.
    Auf der Wache sind mittlerweile, wie wir dem Funk entnehmen, unsere bestellten Brötchen eingetroffen, die die Kollegen beim Bäcker abgeholt haben. Doch bis ich zum Essen komme, müssen wir noch zwei weitere Einbrüche aufnehmen – anscheinend war am

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