Seine Zeit zu sterben (German Edition)
beschimpfen, das ist mein Kind, Mutter, Hure, Heim, Junge, du mir gestohlen, Polizei, Menschenräuber, Porno, blas dir Hirn weg, brauchst du Geld, ihn anbrüllen, dass er um sein Leben fürchtet, und währenddessen den Kleinen schnappen und ihn wegzerren? »Das Tier. Und in der Nacht verstummt, versinkt der helle Klang der Nachtigall, der Bäume dumpfer Fall.« Und der Kleine schreit wie am Spieß. Nein, er müsste sich das Bein brechen, ich komme mit dem Skido, binde ihn fest und haue ab. Das wäre die Lösung, eine elegante Lösung, aber wir müssten das vorbereiten, einer müsste ihn über den Haufen fahren, andere dazukommen, aufgeregt, einen Streit inszenieren, Vorwürfe, Panik, Auflauf, einer ruft die Rettung, und ich komme mit dem Skido, falsche Diagnose, spritz ihm Beruhigungs- und Schmerzmittel, schnall ihn fest, decke ihn zu und hau ab, lasse alle verwirrt stehen, wir treffen uns am Krankenwagen, im Helikopter, an der Bergstation, aber ich verschwinde durch den Wald. »Die Erde schläft in einem blauen Glanz … Wieso ist mir so weh und so schwer zumute? Erwarte ich etwas? Bedauere ich etwas?«
Wie soll ich das alleine machen? Hoffen, dass er als Letzter im Kurs fährt, dann von hinten kommen und ihn mir schnappen, unter den Arm krallen und wegrasen? So wie ich Ski fahre? Ich würde mir und ihm das Genick brechen, er würd mir mit seinen Stecken, seinen Skispitzen die Augen ausstechen, die Eier anstechen, der Skilehrer würde mir hinterherrasen, mich überholen, ich müsste ihn erschießen, ein Schuss zwischen die Stirn mit dem Schalldämpfer, aber schießen und zugleich auf Skiern den kreischenden, um sich schlagenden Jungen unter dem Arm? Ich müsste ihm ein Märchen erzählen, ein russisches Märchen, ein trauriges Märchen, mit einem Jungen und einem Bären. Und immer am Ende frisst der Bär alle, den Jungen, den Fuchs, den Hasen, die Schwalbe, den Himmel, die Welt und verschlingt sich am Schluss selbst. Wie ich mich jetzt bewegen soll, weiss ich nicht genau. Ich stehe vor der Tür, den Knopf im Ohr und warte auf meine Kopfstimme im Ohr, ich dichte. Das bin ich. »Ich erwarte nichts mehr vom Leben, und um das Vergangene ist es mir keineswegs leid; ich suche Freiheit und Ruhe! Ich möchte mich vergessen und in den Schlaf sinken!«
»Du musst mehr in die Knie gehen«, hörte er den Skilehrer, der plötzlich alle linken Skier einsammelte.
Oder ich bin Tat, sagte sich Andrej, ich töte, das ist das andere Ich, der Körper, der Klotz. Ich bin der Tintenkiller, hätte ich fast zu den Zwillingen gesagt, als sie mir mit dem Büstenhalter ihrer Mutter Handschellen anlegen wollten. Sie will mich heute noch sehen, sie wartet im Hotelzimmer. Wenn du nicht kommst, verrate ich alles Vladimir, ich sage ihm, du hättest mich vergewaltigt. Ich sage ihm, ich bekomme ein Kind von dir. Soll ich es wegmachen oder machst du ihn weg? Soll ich den entführten Jungen mitnehmen, wenn ich sie ficke, und dabei meine Skimaske auflassen? »Ach wüsstet ihr doch nur, wie ohne Scham Gedichte aus dem Müll geboren werden. Ein Wutschrei, auch ein Teergeruch kann’s sein, geheimnisvoller Schimmel an den Wänden.« Bestimmt steht sie drauf, wenn ich die Skibrille auflasse, den Helm, wenn ich ins Zimmer einbreche, Andrej, Andrej, drück fester zu, fester. Und der Kleine schaut zu? Und erzählt, wenn sie ihn freikaufen, was er gesehen hat? Ich müsste ihn töten. Aus Versehen töten. Töten ohne zu erröten, wie das Rot der Rose töten, das aus dem Nichts schießt. »Schon fällt ein Vers mir übermütig ein, schon haltet ihr ihn freudig in den Händen.«
Es wäre nicht das erste Mal, dass wir bluffen und vortäuschen, einer lebe noch. Jedesmal werden die Hotels kleiner, das nächste Mal will sie in den Rosengarten, während Vladimir unten isst, schiebt sich eine Kirsche in die Fotze und will, das ich sie pflücke, lässt sich die Badewanne mit Kaviar füllen und will, dass ich mich zu ihren aufgeblasenen Titteninseln durchfresse oder ich es ihr mit einem Hummerschwanz besorge. Früher sah sie aus wie eine Nutte und verhielt sich wie eine Heilige, jetzt sieht sie aus wie eine Heilige und verhält sich wie eine Nutte. Warum sagt Vladimir nicht, sie ist die Mutter meiner Kinder, ficke sie, sonst nervt sie mich, die Kinder brauchen eine Mutter. Warum bin ich das Mädchen für alles? Ich muss sie töten, sonst wird sie mich töten, wie sie schon meine Nerven tötet. Aber Vladimir würde mir die Schuld geben, ich muss ja aufpassen auf sie,
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