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Seine Zeit zu sterben (German Edition)

Seine Zeit zu sterben (German Edition)

Titel: Seine Zeit zu sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Ostermaier
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Junge leben, alles ein Missverständnis sein, dann würde er selbst an einem der Tische heute Abend im Rasmushof sitzen und sein Glas genießen und dass dieser Tag vorbei wäre. Aber er war noch lange nicht vorbei. Es war noch nicht vorbei.
     
    Er ging nicht ran. Vladimir fluchte. Er war Anwalt, er musste rangehen, er sah doch, dass er anrief. Er hatte die Kontrolle verloren, wie konnte das nur passieren. Immer wenn es um diese Frau ging, tickte er aus, sein Hirn tickte aus. Dabei wusste er nicht, ob er sie liebte, ob man das Liebe nennen konnte. Sie war die Mutter seiner Kinder. Seine Kinder liebte er, und sie liebten ihre Mutter, also musste er sie auch lieben, ihre Gebärmutter lieben, ihre Schenkel, weil sie die Zwillinge hinausgepresst hatte, ihre Schamlippen, weil sie sich für das Lächeln seiner Kinder geöffnet hatten. Sie war die Erste, die Einzige, bei der es mit seinen kaputten Samen geklappt hatte. Er wollte mehr Kinder, er wollte ein Haus voll Kinder, einen Clan, er wollte einen Kirschgarten voller Kinder, eine große Tafel, er und seine Kinder und seine schöne Frau mit prallen Brüsten, an denen ein Säugling saugte. Ohne Kinder war er nichts. Warum? Er wollte nicht nachdenken über sich, über seinen Kinderwahnsinn, was es mit seiner Kindheit zu tun hatte, seiner Einsamkeit, den Schlägen, dem Tod seines Bruders, seines Zwillingsbruders, all den Geschichten, seinem Vater, der ihn …, nein, das war aus einem anderen Leben. Aber diese Panikattacken, diese, wie sagte der Arzt, Clusterkopfschmerzen, die schlimmer waren als Geburtsschmerzen.
    Es waren seine Geburtsschmerzen, er musste im Kopf gebären, wie Zeus, dachte er, und sie war seine schöne Athene, diese Schlampe. Er hatte, als er Andrej unter Wasser drückte, den Verdacht verspürt, die Zwillinge seien von ihm, sie hätte einfach mit ihm geschlafen, nach dem sie bei der Befruchtung waren, seine schwarzen muskulösen Samen hätten seine kaum überlebensfähigen überrollt, weggeboxt und gekillt. Er war sich wie ein Versager vorgekommen, ein Eunuch. Wären seine Töchter nicht von ihm, er wäre wie lebendig begraben. Aber es war blanker Unsinn, natürlich waren sie von ihm. Er würde es testen lassen, um absolut sicherzugehen. Aber waren ihre Augen nicht seine Augen? Seine Liebe zu ihnen nahm ihm fast die Luft. Und sie hatte ihm den Blick getrübt. Was hatte Andrej ihm wegen des Jungen sagen wollen? Dass er ihn getötet hatte? Dass er ihn versteckt hatte? Dass er ihn erkannt hatte? Dass er etwas wusste? Dass er entkommen war? Dass er ihn gar nicht erwischt hatte?
    Aber nein, sie suchten ein Kind, das hatte er erfahren. Aber hatten sie es schon gefunden? Lebendig? Tot? Hatte es etwas gesagt? Vladimir sah alles davonfliegen. Hatte Angst, der Sturm trüge sein Haus ab, und sie alle stünden nackt im Schnee und sie führten ihn ab, vor seinen Kindern, und er würde sie nie mehr sehen. Tränen liefen über Vladimirs Wangen, er weinte wie ein Kind, wie er als Kind geweint hatte, wenn ihn niemand sah. Er hatte gehofft, Joseph wüsste mehr, er könnte Informationen liefern, ohne dass er es merkte, ihn aushorchen, Gewissheit bekommen. Dass er sich keine Sorgen machen musste. Es war hoffnungslos gewesen, irgendetwas von Andrej zu erfahren, sein Hirn musste unter Wasser einen Kurzschluss bekommen haben, er lallte nur. Oder verstellte er sich, hielt ihn zum Narren? Nein, es war echt, er war noch immer wie unter Wasser und Sauerstoffblasen stiegen aus seinem Mund hoch, der Speichel sabberte ihm über die Lippen.
    Vladimir musste handeln. Er hatte immer alles so arrangiert, dass er nichts damit zu tun hatte, nichts wissen konnte, alles abstreiten konnte. Er hatte Andrejs Handy vernichtet. Der nächste Fehler, er hätte rausbekommen können, wo er war. Er hatte sein Handy vernichtet, mit dem er mit ihm telefoniert hatte. Er musste zu ihrem Versteck fahren, egal, wie sehr der Sturm tobte, oder ob ihn jemand sah. Sie würden den Jungen überall suchen. Er musste vor ihnen bei ihm sein, herausfinden, was er wusste. Und wenn es nichts half, ihn töten.

15
    Ödön sah auf das Ohr, das Profil des Paters, durchlöchert vom Gitter zwischen ihnen, der durchstochenen Membran Gottes. Ödön wunderte sich, dass er ihn mit keinem Wort fragte, warum er nicht aus dem Beichtstuhl gekommen war, warum er nicht ganz selbstverständlich hinausgetreten war, nachgefragt, sich besorgt gezeigt, alle Hilfe angeboten und alle Zweifel zerstreut hatte, Auge in Auge mit den dreien, die

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