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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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aufs Bett zu legen und so zu tun, als wäre das alles nie geschehen. Doch tief im Innern weiß ich, dass ich unmöglich kneifen kann.
    Die Trauerfeier für Sally findet in einer Kirche in der Nähe ihres Elternhauses in Kent statt, in derselben Kirche, in der sie auch für die Hochglanzhochzeitsfotos posierte. James fährt uns durch unaufhörlichen grauen Nieselregen dorthin. Wir schneiden ein paar schon mehrfach erprobte Gesprächsthemen an – warum unsere Vermieterin immer ein Sonnenvisier trägt, selbst im Winter, wie ich meinen Dad dazu überreden kann, es mit Onlinedating zu versuchen –, aber nichts davon greift.
    »Wann hast du sie das letzte Mal gesehen«, fragt James schließlich.
    »Richtig habe ich sie das letzte Mal kurz vor ihrer Hochzeit gesehen. Ich habe dir davon erzählt.«
    Wir waren uns immer wieder bei geselligen Anlässen über den Weg gelaufen, wo wir dann wie Katzen umeinander herumschlichen, weil mein verletzter Stolz mehr Nähe nicht zuließ. Ich hatte sie auf dem fünfundzwanzigsten Geburtstag von jemandem getroffen und brav den Klunker bewundert, der wie ein Stroboskop an ihrem Finger schimmerte und funkelte, und fühlte mich insgeheim erdrückt von ihrer spröden, unpersönlichen Lebhaftigkeit. Wenn ich ehrlich zu mir bin, war ich vermutlich auch eifersüchtig, obwohl ich fünfundzwanzig unglaublich jung fand, um sich zu binden, vor allem wenn man so unbekümmert und offen wie Sally war.
    Aber dann rief sie mich an. Ich erinnere mich, wie mein Körper mir verriet, was mein Kopf so sehr zu leugnen bemüht war: Allein ihre Stimme zu hören löste bei mir eine überschäumende Erregung aus und setzte mich in jene Zeit zurück, als sie die Person war, deren Gesellschaft ich mir inständiger ersehnte als jede andere. Nicht dass ich schlagartig alles vergessen hätte – das Leid, das sie mir zugefügt hatte, war noch immer gegenwärtig –, doch die Optimistin in mir wollte daran glauben, dass dieser kranke Teil unserer Freundschaft wie ein bösartiger Tumor, den man rechtzeitig erwischte, bevor er streuen konnte, entfernt werden konnte, sodass der Teil, den ich liebte, wachsen und gedeihen konnte. Mein gesunder Menschenverstand diktierte mir, die Spröde zu spielen, aber sie kannte mich viel zu gut, sodass sie mich schon bald aus der Reserve lockte und ich mich drei Telefonate später in einer Bar nur für Mitglieder einfand, in die Einlass zu finden ich im Traum nicht gedacht hätte, und mit einem breiten Martiniglas mit ihr anstieß und trotz meiner schweren Bedenken das Beste hoffte. Es war mitten im Hochsommer, sämtliche Fenster standen offen, und die warme Luft war erfüllt vom beschwipsten, unsinnigen Geplauder, das aus den Mündern jener schönen Menschen kam, die diesen Klub als ihr zweites Zuhause ansahen.
    Es war, als würde eine zurückgezogen lebende Diva einzig und allein zur Oscarverleihung erscheinen. »Es ist sooo schön, dich zu sehen«, versicherte sie mir ständig und quetschte sich neben mich auf die mit Samt bezogene Bank, als ertrüge sie die kalte Weite des Tisches nicht zwischen uns. Anfangs versuchte ich noch die Reservierte zu geben, aber davon wollte sie nichts wissen. »Mir tut dieser ganze Mist so leid«, sagte sie und stieß zum hundertsten Mal mit mir an, »was ist nur in uns gefahren?!« Ich unternahm einen halbherzigen Versuch, auf das einzugehen, was zwischen uns vorgefallen war, doch sie fegte es in einem Tsunami aus Liebe und Warmherzigkeit und der für Sally typischen Art hinweg, die noch immer die Macht hatte, mich zu hypnotisieren. Was hätte es mir außerdem gebracht: Ich wollte ihr glauben, wollte, dass die Ordnung wiederhergestellt wurde und ich nicht mehr länger das Gefühl haben musste, mich in ihr völlig getäuscht zu haben.
    Ich stellte ihr Fragen zu ihrer Hochzeit und glühte innerlich in freudiger Erwartung einer dicken cremefarbenen Einladung und meines wiederhergestellten Status beim Junggesellinnenabschied, sie verdrehte allerdings die Augen und verzog das Gesicht. Sie war noch immer eine großartige Schauspielerin, Sally die Komödiantin, aber ich wusste, es war mehr als nur ein Scherz.
    »Erzähl mir alles darüber!«, forderte ich sie auf.
    »Da gibt es nichts zu erzählen. In zwei Monaten werde ich Mrs. Sally Claire Harrington sein«, sagte sie, wobei sie jedes Wort betonte.
    »Bist du dir dessen sicher?«, hakte ich nach, schockiert und auch wieder nicht schockiert. Die Unschuld in mir konnte nicht glauben, dass jemand eine

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