Seitensprung ins Glück
makellose Stirn. »Milton ist mitgekommen«, sagt sie. Ihr rotbraunes Haar schwingt um ihren Kopf. »Er sitzt vor Ihrem Büro. Er hat darauf bestanden zu kommen und wollte sogar mit dem Bus fahren, falls ich ihn nicht mitnehme.«
»Schon in Ordnung«, sage ich eingedenk der Tatsache, dass es schließlich ihr Sohn ist, der es da mit seiner Begeisterung für mich etwas übertreibt. »Es ist doch toll, dass er sogar allein Bus fahren würde«, füge ich ermunternd hinzu.
Der Konferenzraum beginnt, sich zu füllen. Ein kleines Grüppchen von Eltern und Wohnheimbetreuern hat sich leise lachend und essend um die Kekse geschart. Bald sind die üblichen Verdächtigen auf ihren Sitzen versammelt: Miltons Mutter, Linda. Die Wohnheimbetreuer, die aussehen wie Studenten und alle frisch vom College kommen. Mr Schieb, noch immer im Blaumann, der wegen seines Sohnes Nicky da ist. Mr und Mrs McCabe mit ihren identischen Nickelbrillen. Mrs Scudder, die wegen Eleanor gekommen ist. Arlene Horton mit der riesigen Handtasche aus Kunstleder, die auf ihrem Schoß thront wie ein kleiner Hund. Ein ganz ansehnliches Grüppchen. Die Leute fangen an, die Schutzfolie von ihren selbstklebenden Namensschildern zu ziehen, ein Zeichen für mich, dass es losgehen kann.
»Herzlich willkommen«, sage ich. »Vielleicht beginnen wir damit, dass Sie alle die Gelegenheit bekommen, sich zu äußern.«
Nach einigen unbehaglichen Sekunden des Schweigens räuspert Mrs McCabe sich und macht den Anfang. »Na ja«, sagt sie, »Susan hat ein bisschen Ärger.«
Ich lächle ermutigend. Susan arbeitet in der Wäscherei des Babylon Terrace Motels.
»Sie hat Waschlappen gestohlen«, sagt Mrs McCabe. Das Deckenlicht spiegelt sich in ihren Brillengläsern. »Sie stopft sie sich in den BH und die Socken, bevor sie geht.«
Ernsthaftes Nicken allerseits. »Die Versuchung ist einfach zu groß, wissen Sie«, äußert Mr Schieb, was mich zu der Überlegung veranlasst, was er wohl schon alles aus der Autowerkstatt entwendet hat. Erneutes Nicken.
»Mein Mann und ich werden ja nicht für immer da sein«, sagt Mrs McCabe, eine Bekanntmachung, die man bei dieser Art Treffen oft zu hören bekommt. »Und wer klärt dann so etwas mit den Motelbesitzern?«
Alle Blicke richten sich auf mich, als wüsste ich die Antwort, als wäre ich für ihre Kinder da, wenn sie einmal tot sind. Plötzlich scheinen wir alle in diesem kleinen Raum traurig zu sein. Ich spüre, dass die Eltern von mir eine Aussage erwarten, die sie heute Nacht besser schlafen lässt.
»Gut!«, rufe ich und klatsche in die Hände. »Deshalb sind wir ja alle zusammen hier. Ich übernehme es, mit Susans Vorgesetztem zu sprechen, und Sie können mit Susan selbst kommunizieren.«
Sie blicken mich ausdruckslos an. Ich zeige auf eines der Magnettäfelchen, das, auf dem KOMMUNIKATION! steht. Mein Arm ist ausgestreckt, mein Blazer rutscht über die Hüfte nach oben. »Jede Mom und jeder Dad sollte sich selbst treu bleiben«, ermutige ich sie und gehe zum nächsten Streifen über. » Sagen Sie es Ihren Kindern, wenn sie etwas falsch machen. Sagen Sie es nicht nur einmal, um dann beim nächsten …«
Ich werde unterbrochen. Die Tür fliegt auf und Milton Beyer platzt herein. Er geht an den Stuhlreihen vorbei bis nach vorne, wo ich stehe. Er bewegt sich mit großer Dringlichkeit, was durch seinen gebeugten Kopf, die vorgezogenen Schultern und die geballten Fäuste deutlich wird. Der normalerweise so liebe Ausdruck ist von seinem schönen Gesicht verschwunden. Er sieht schlimm aus, sein Haar ist ganz durcheinander und seine Jeans sitzt ein bisschen zu hoch und in der Taille schief. Auf seinem blauen Sweatshirt prangt der Road Runner, mit der Aufschrift BEEP BEEP!! unter den großen Füßen.
»Miss Plow?«, sagt Milton beim Näherkommen. Auf seinem hübschen, kantigen Kinn entdecke ich einen ganz leichten Bartschatten.
»Milton«, sage ich.
»Ich muss bei der Arbeit an meine Manieren denken. Ich muss bei der Arbeit an meine Manieren denken.«
»Ja, ja. Aber – nein. Was ich sagen wollte, Milton: Wir sind gerade mitten in unserem Elternabend …«
»Ich muss aber mit Ihnen reden, Miss Plow.«
Milton fährt zur Gruppe herum. Sein Blick streift seine Mutter und bleibt an Arlene Horton in der ersten Reihe hängen.
»Ich arbeite sehr gut!«, erklärt er ihr. »Ich bin sehr gut!«
»Davon bin ich überzeugt, mein Junge«, sagt Mrs Horton und drückt ihre große Tasche an sich.
»Ich bin ein echtes Plus. Mr Hamilton
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