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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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Miltons Unterlagen auf und tue so, als würde ich darin lesen.
    »Darf ich Sie etwas fragen?«, sagt er, und mein Blick wandert sofort zur Tür. »Warum wollen Sie mich eigentlich nicht Ham nennen?«
    Ich antworte nicht gleich, weil die Antwort so offensichtlich scheint. Sich »Ham« – Schinken! – zu nennen, weil man früher mal als Metzger gearbeitet hat, kommt mir ein bisschen arschgesichtig vor, wie Marcie es vielleicht nennen würde. Das ist so, als wäre man das Kind in der Schule, dem die anderen ein Schild mit der Aufschrift SCHLAG MICH auf den Rücken gepappt haben. Aber wie soll man das einem Mann erklären, der stets so freundlich ist?
    Ich sehe auf die Tischplatte hinunter, auf der Mickey seine großen, verschränkten Hände in Erwartung einer Antwort abgelegt hat. Ich räuspere mich, verärgert darüber, dass wir diese Diskussion führen müssen, die so gar nichts mit Miltons Fortschritten zu tun hat. Mickey erhebt sich von seinem Stuhl und stellt die Schachtel mit den Doughnuts zurück ins Regal, wobei sein sehr ansehnlicher Hintern sichtbar wird.
    Er dreht sich um und sieht mich, immer noch wartend, an.
    »Dieser Spitzname ist eine Anspielung auf die Fleischtheke «, sage ich schließlich.
    Er lässt sich wieder mir gegenüber nieder. »Ich finde eher, dieser Spitzname ist eine Anspielung auf das, was früher mein Beruf war.«
    Bitte, denke ich.
    Mickey blickt mich unverwandt aus seinen grauen Augen an. Langweiligen Augen. Augen, die so grau sind wie die Wände meiner Mutter beige. Ein netter Hintern ist nicht alles. Wieder mustere ich seine großen Hände auf der Tischplatte und versuche, mir vorzustellen, wie er damit ein Fleischerbeil schwingt. Das hilft.
    »Es ist ja nichts Neues«, sagt er, »dass Leute nach ihrem Beruf benannt werden. Ich meine, denken Sie nur mal an all die Fishers und Goldsmiths auf dieser Erde.«
    Und Plows, denke ich, sage es aber natürlich nicht laut. »Das ist etwas anderes«, sage ich stattdessen.
    »Nicht wirklich«, beharrt er. »Es ist das Gleiche. Ich habe als Metzger gearbeitet, und ich habe meine Arbeit gut gemacht. Ergo: Ham.«
    Ergo? Wer verwendet denn ein Wort wie »ergo«? Es ist an der Zeit, das Ganze zu beenden, denke ich.
    »Also gut«, sage ich. »Mein Fehler, einverstanden? Ich bin sicher, dass Sie Ihre Arbeit hinter der Fleischtheke gut gemacht haben …«
    »Aber Sie sind nicht sicher, ob mein Name so vornehm wie Ihrer ist. Sind Sie Vegetarierin?«
    »Nein.«
    »Essen Sie Fleisch?«
    »Jetzt machen Sie mal langsam«, protestiere ich.
    »Ich bin genauso stolz auf meine ordentlich zerteilten Rinderhälften«, seufzt er, »wie Sie auf Milton, der die Tüten in die Mülleimer hängt.«
    »Das reicht!« Entrüstet springe ich auf.
    »Trotz Ihrer Versnobtheit«, fährt er gelassen fort, »stehe ich immer noch zu meiner Essenseinladung.«
    »Tja, tut mir leid«, sage ich. »Aber heute hat mir bereits jemand ein Angebot gemacht.«
    »Das habe ich gehört.« – »Und eigentlich bin ich auch nicht zu haben. Ich bin … halb verheiratet.«
    »Auch davon habe ich gehört«, sagt er und steht nun selbst vom Tisch auf. »Aber eines sollten Sie über mich wissen«, sagt er und streift ganz, ganz vorsichtig meine Hand. »Ich bin ein sehr geduldiger Mensch.«
    Ich renne wie von der Tarantel gestochen aus seinem Büro. Ich beschließe, ihm Miltons Trainingsprotokoll zu mailen, damit ich sofort nach Hause kann. Ich sehne mich nach meinem Bett. Ich will dorthin, obwohl es groß genug für eine ganze Tennismannschaft ist und ich nur eine Person mit einer Steppdecke bin. Ich möchte unter dieser Steppdecke liegen, wo mir niemand einen Antrag macht, mich zum Essen oder Fernsehen einlädt oder vielleicht die Scheidung einreicht.
    Ich stürme über den dampfenden Parkplatz, und Miltons Schlange aus Einkaufswagen klappert laut hinter mir. Ich drehe mich nicht zu ihm um. Ich feuere meine Tasche auf den Beifahrersitz und springe ins Auto. Milton steht neben der Windschutzscheibe, als ich den Motor anlasse. Ich lasse das Fenster runter, und er steckt das nasse Gesicht herein. Der Regen tropft von seiner Kapuze ins Wageninnere.
    »Alles okay mit dir?«, frage ich, doch er starrt mich nur an, und seine Mundwinkel zittern.
    »Oh Miss Plow«, sagt er schließlich, »manchmal ist das Leben zum Kotzen.«
    Ich sollte ihn daran erinnern, dass Kotzen eines der Wörter ist, die wir nicht am Arbeitsplatz verwenden. Doch stattdessen strecke ich die Hand aus und tätschele seine feuchte

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