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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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Freundin sein können?
    »Darin geht es um Ehebruch«, fährt Inga fort. »Aber bei Anne Sexton ist der Ehebruch eine« – sie blickt zu Boden – » spirituelle Bereicherung .« Sie lacht. »So ähnlich steht es zumindest im Vorwort.« Ihr Ausdruck ist verträumt. Ich habe Lust, sie zu schlagen. Sie plappert weiter.
    »O Rosie! Ich wünsche mir so sehr, dass du verstehst, wie das passiert ist! Es war nichts, was wir geplant haben. Es war … hier.« Ich sehe zu, wie sie in den Seiten blättert. Sie schlägt eine auf und fängt an vorzulesen:
    Deine Hand fand meine.
Leben schoss mir in die Finger wie ein Blutgerinnsel.
    Ich bin sprachlos. Weiter und weiter liest sie mit ihrer Singsangstimme, jetzt geht es um tanzende Finger, und flammend deklamiert sie die bedeutungsschwangeren Zeilen:
    Oh, mein Zimmermann …
Sie tanzen auf dem Dachboden und in Wien.
    Hier bricht sie ab und blickt zu mir.
    Ich bin fassungslos. »Er ist kein Zimmermann«, ist alles, was ich hervorbringe. Ich lasse mich aufs Sofa plumpsen. Inga eilt herbei und setzt sich neben mich. Hastig rücke ich weg von ihr. Bei der Vorstellung, sie könne mich berühren, möchte ich Amok laufen.
    »Als Sylvia Plaths Mann Ehebruch beging, hat sie ihren Kopf in den Ofen gesteckt«, informiere ich sie, diese Schlampe, die neben mir auf dem Sofa sitzt. Dieser falsche Fuffziger, diese Verräterin, diese hohlköpfige Intellektuelle. Dabei hat sie immer mit Teddy und mir Survivor geglotzt. Sie weiß mehr darüber, wie man auf einer einsamen Insel frisches Wasser findet als über Anne Sexton.
    »Und was bedeutet hier Wien?«, frage ich meine Knie. »Hast du es da auch mit meinem Mann getrieben?«
    Wieder bin ich überrascht von mir selbst, darüber, wie gut es sich anfühlt, grausam zu sein. Verstohlen betrachte ich unsere nebeneinander aufgereihten Knie. Ingas sind entblößt und so glatt wie Klaviertasten, meine sehen aus wie dunkelblaue Schweinshaxen, über die Mickey Hamilton wahrscheinlich voller Stolz gesagt hätte, er habe sie säuberlich ausgelöst. Plötzlich höre ich Inga neben mir weinen, als wäre sie diejenige mit dem Kummer, als wäre sie die Grobknochige, Sitzengelassene, diejenige, der der Mann weggelaufen ist. Einmal war sie mit einem verheirateten Mann liiert, der bereit war, seine Frau für sie zu verlassen, doch Inga hatte ihm gesagt, er solle zu seiner Frau zurückkehren, weil es nicht richtig war, dass sie eine Affäre hatten. Was ist aus Ingas moralischen Ansprüchen geworden? Wie soll ich das je erfahren, wenn ich sie nicht frage?
    Ich blicke in ihr hübsches Gesicht, das jetzt ein bisschen verquollen und verheult ist, und stelle ihr meine Frage. »Inga«, sage ich. »Wie konntest du mir das antun?«
    »Ich habe dir nichts angetan!«, schluchzt sie. »Sondern Teddy mir .«
    Das Zimmer beginnt, sich zu drehen, und ich bin froh, dass ich sitze. »Was?«, hauche ich.
    »Teddy war’s. Es fing damit an, dass er nachts bei mir zu Hause vorbeikam. Was hätte ich denn tun sollen? Den Mann meiner besten Freundin rauswerfen?«
    Ich kann es nicht glauben. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. »Ist dir jemals der Gedanke gekommen, dass du es deiner besten Freundin hättest sagen können, dass er bei dir war?«
    Ingas Augen blitzen. »Warum wusstest du nicht, dass er weg war?«
    Das lässt mich fürs Erste verstummen. Ich wusste, dass er weg war. Ich hatte Abend für Abend zugesehen, wie er seine Bomberjacke überwarf. Ich hatte mir seine lahme Ankündigung angehört, er müsse »Luft schnappen gehen«. Ich habe ihn nie gefragt, warum es ihn an den eisigsten Winterabenden nach minus zwanzig Grad kalter Luft gelüstete, habe nie einen Finger gerührt, um ihn aufzuhalten. Ich war immer sehr fürs Geben. Inga stößt einen weiteren Schluchzer aus, und ich drehe mich zu ihr um. Wie es aussieht, habe ich meinen Mann weggegeben.
    Ich kralle meine Hände ineinander. Ich weiß, warum ich ihn in die Kälte habe gehen lassen. Es war wegen der Kälte, die er jeden Abend beim Nachhausekommen mit sich hierherbrachte. Wie lange war es mir schon aufgefallen, ohne dass ich etwas gesagt habe, in der Hoffnung, es ginge von selbst vorüber?
    »Bitte, Rosie. Du musst mir verzeihen.«
    »Nein, muss ich nicht«, sage ich zu Inga und erhebe mich. »Ich muss dir überhaupt nicht verzeihen.« Ich schlendere zur Eingangstür und öffne sie.
    »Du warst doch angeblich meine Freundin«, sage ich.
    »Aber Rosie, ich will deine Freundin sein …«
    Ich mache die Tür weit auf. »Ich

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