Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
Vom Netzwerk:
breath AWAAAAY! AAY! AAY! AAY!
    Der Gesang bricht gnädigerweise ab. Mehr Poltern. Mehr Schnaufen.
    Jetzt ist es doch in Ordnung, Ihnen zu sagen, dass ich Sie liebe, oder? Weil ich nicht an der Arbeit bin? Wissen Sie, dass ich Ihre Nummer im Telefonbuch nachgeschaut habe? Genau wie Sie es mir gezeigt haben! Und wissen Sie was? Das ist echt lustig! In den Gelben Seiten gibt’s eine Menge Plows. Für Schnee! Snow plows – Schneepflüge! Ist das nicht lustig? Ich liebe Sie, Miss Plow … Ich …
    PIIIEP!
    Ich drücke die STOP-Taste und sinke dann in Teddys Ledersessel. Es ist einer von diesen überdimensionierten Chefsesseln, die ich immer verabscheut habe, ein Möbelstück für das mickrige Ego seelisch Verkümmerter, und abgezahlt haben wir ihn auch noch nicht ganz. Ich lege meine Wange auf das braune Polster, das schwach nach ihm riecht: Deo und Moschus. Ich versuche immer noch, die schauerliche Imitation von Jessica Simpson aus dem Kopf zu bekommen, als jemand die Klingel betätigt.
    Meine Klingel.
    Ich mache die Tür auf, und Inga steht vor mir.
    Mir bleibt die Luft weg.

9
Wie ein Blutgerinnsel
    Inga betritt meine Wohnung, ohne um Erlaubnis zu fragen. Sie hat knappe Shorts und ein winziges aquamarinblaues Tank-Top mit integriertem BH an. Sie ist gramgebeugt, und das lässt ihr Gesicht zehn Jahre älter aussehen. Trotz ihres Kummers hat ihr Gehabe etwas Oberflächliches, wie auf den Fotos von Paris Hilton, wenn ihr die Sonne ins Auge scheint. Ich frage mich, warum mir das früher nie aufgefallen ist.
    »Darf ich reinkommen, Rosie?«, flüstert sie mit gequälter Stimme.
    »Ich glaube, du bist schon hereingekommen«, sage ich nur und fühle mich weniger großspurig, als ich mich anhöre – um der Wahrheit die Ehre zu geben, bin ich verängstigt. Mit ihren langen, schmalen Fingern umklammert sie ein kleines Büchlein. Sie bemerkt meinen Blick auf das Buch in ihren Händen und atmet tief ein.
    »Rosie, Rosie«, sagt sie und atmet dramatisch aus.
    »Inga, Inga«, kontere ich unfreundlich. Ihre Anwesenheit in meinem Wohnzimmer bringt meine schlechteste Seite ans Licht. Ich will nicht gemein sein, aber sie hat das falsche Publikum für ihr Melodram gewählt. Als ich zu ihr nach Hause kam, um mit ihr zu reden, ist sie aus der anderen Tür geflohen. Jetzt bin ich beinahe versucht, mich aus dem dritten Stock zu stürzen, um ihr zu entkommen. Ich stelle mir vor, wie ich auf dem harten Zementboden unseres Swimmingpools liege, wie schockierte Anwohner meinen verrenkten Leichnam umrunden wie einen umgestürzten Planwagen und wie Inga schreit: »Nein!«
    Aber was sollte Inga daraus lernen? Ich weiß ja nicht wirklich, wie jemand sich unter diesen Umständen wirklich verhält.
    »Ich würde dich gern umarmen«, sagt Inga.
    Ich mache unwillkürlich einen Schritt zurück. Die Vorstellung, von Inga berührt zu werden, macht mich krank.
    »Ich würde dich wirklich gern umarmen«, sagt sie erneut, und ihre Augen füllen sich mit Tränen. Mir wird bewusst, dass es mir gefällt, wenn ihre Augen sich mit Tränen füllen. Ich hoffe, sie leidet schrecklich. Ich hoffe, sie kapiert, was sie mir allein dadurch zumutet, dass sie in meinem Wohnzimmer rumsteht. Angesichts ihres verheulten Gesichts und ihres lächerlichen Wunsches nach Versöhnung fühle ich mich nervös und hilflos. In Gedanken bin ich bei der Torte, die meine Mutter für mich gebacken und dann wieder mit nach Hause genommen hat. Hätte ich das bloß nicht zugelassen! Der Boden mit der Zartbitterschokolade war sicher saftig und die Glasur lecker, und ich könnte sie genau jetzt vertilgen, um mich zu trösten. Oder ich könnte damit nach Inga werfen, könnte Stücke dieses Teufelszeugs in ihr blasses Gesicht schleudern. Nie in meinem Leben war ich so verwirrt.
    Ich biete Inga keinen Stuhl an. Wir stehen einfach da wie zwei Revolverhelden vor Miss Kittys Saloon, Inga ist mit ihrem Büchlein bewaffnet und ich bin mit, na ja, mit nichts bewaffnet.
    »Ich habe diesen Gedichtband mitgebracht, in dem meine Mutter immer gelesen hat«, erklärt sie mir. »Ich weiß, dass es sich seltsam anhört, aber mir ist nichts Besseres eingefallen, um dir zu erklären, was … zwischen Teddy und mir … passiert ist.«
    Als ich den Namen meines Mannes aus ihrem Mund höre, zucke ich zusammen. Sie hält mir das Buch hin; ich lese den Titel: Liebesgedichte . Anne Sexton. Ihre Mutter pflegte Liebesgedichte zu lesen, während meine am Pillsbury-Kochwettbewerb teilnahm. Wie hatte diese Frau je meine

Weitere Kostenlose Bücher