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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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hoffe, es macht dir nichts aus, aber ich habe letzte Woche mit deinem Freund geschlafen. Schließlich ist er mein Mann.«
    Schockiert klappt Inga die Kinnlade herunter.
    »Ich konnte nicht anders. Er war wie … Wien! Wie eine Wiener Leckerei! Ich musste ihn einfach vernaschen. Es war so eine spirituelle Bereicherung .«
    »Rosie! Wie konntest du nur?«
    »Es war ganz einfach«, sage ich, während ich sie mit der Hand zur Tür winke. »Und das ist der Typ, mit dem du anscheinend gerade ein Haus kaufst«, ergänze ich.
    Inga schnellt vom Sofa hoch wie ein aufgescheuchtes Fohlen. Ich betrachte sie von der Tür aus, und alles, was ich sehe, sind dünne Glieder und Knochen. »Sieh dich nur an«, sage ich. »Du bist eine wandelnde Libelle. Eine vertikale Gottesanbeterin. Eine Krawattennadel.«
    Das ist das Gemeinste, das ich jemals zu einem anderen Menschen gesagt habe. Es fühlt sich an, als käme es von meiner Mutter, nur aus meinem Mund. Aber es fühlt sich gut an. Besser als Poesie.
    »Und du siehst aus wie Kirstie Alley vor ihrer Diät«, zischt Inga und stürmt zur offenen Tür. Jetzt steigen mir Tränen in die Augen. Das liegt nicht so sehr an der Beleidigung. Sondern an der Erkenntnis, dass meine und Ingas Freundschaft zu Ende ist. Vorbei. Schluss mit Gelächter, Drinks, Vertraulichkeiten, Einkaufsbummeln, Abendessen. Alles vorbei. Und ich arbeite mit daran, dass es vorbei ist. Ich will, dass es vorbei ist. Ich will keine beste Freundin, dir mir so etwas antut, die mit meinem Mann schläft, um dann mit dem Gedichtband ihrer Mutter vorbeizukommen und alles wieder einzurenken.
    »Ich bereue, dass ich jemals mit dir befreundet war«, sage ich zu ihr. »Ich bereue, dass ich jemals irgendetwas mit dir geteilt habe.« Doch Inga antwortet nicht. Sie rauscht nur an mir vorbei wie eine kühle Brise. Mit der Hand umklammert sie ihr Buch, und ihre Lippen sind zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Ich bin sicher, dass in ihrem Buch mit Liebesgedichten nichts zu finden ist, das ihre Gefühle mir gegenüber in just diesem Moment beschreiben könnte. Außerdem muss man nicht die ganze Zeit reden, um jemandem zu sagen, wie sehr man ihn hasst.

10
Gute Nacht, SpongeBob
    »Ich habe am Wochenende mit deiner Mutter gesprochen«, erzählt Marcie mir am Montagmorgen.
    »Wieso? Habe ich mich im Büro danebenbenommen?« Ich lasse meine vollgestopfte Aktentasche auf den Schreibtisch sinken.
    »Sie macht sich Sorgen um deinen Vater, und sie macht sich Sorgen um dich.« Marcie sitzt auf der Ecke meines Schreibtischs, wobei der Saum ihrer Bluse hochrutscht und die aztekische Sonne entblößt, die genau über ihrer Pofalte eintätowiert ist. Man fragt sich, was Sean Zambuto von diesen kleinen Kunstwerken hält – der aztekischen Sonne, dem Tattoo auf dem Fußknöchel, dem chinesischen Schriftzeichen für Frieden, das aus ihrem Dekolleté aufragt. Ich könnte nie Marcies Weg der Körperkunst einschlagen – nicht, wenn ich je wieder von meiner Mutter nach Hause eingeladen werden will. Und das ist vielleicht auch gut so, denn ich sehe mich schon mit fünfzig: einsam und pummelig, und die aztekische Sonne über meiner Pofalte ist zu einem zerlaufenen blauen Halbmond erschlafft.
    »Hast du nie ein schlechtes Gewissen, weil du dich ständig in mein Leben einmischst?«, frage ich Marcie.
    »Nein. Außerdem hat deine Mutter mich angerufen.« Ungerührt sieht sie mich an. »Deine Mutter findet, du solltest es mit diesem Kerl vom SaveWay probieren.«
    Das ärgert mich, genau wie Marcies Freundschaft mit meiner Mutter und die Tatsache, dass ich nicht an meinem eigenen Schreibtisch Platz nehmen kann, solange Marcie darauf herumhockt.
    »Warum ziehst du nicht einfach bei Helen ein?«, frage ich bissig.
    »Ich glaube nicht, dass Pulkowski das gefallen würde«, lacht sie. Doch sie geht nicht. Sie sitzt einfach da und starrt mich an, als wüsste sie etwas, das ich nicht weiß.
    Ich erwarte Eleanors Ankunft in dem Kleinbus, der sie ins Büro zu unseren Treffen bringt, dem Idiotentransporter, wie Marcie ihn ohne jeden schlechten Hintergedanken nennt. Sie meint das ein bisschen so wie diese Rapper, die sich gegenseitig als Nigger bezeichnen. In Wahrheit bewundert sie meine Schützlinge nämlich zutiefst. In Marcies Augen ist man der Star, wenn man anders ist, wenn man in einer eigenen Sphäre lebt. Und auf niemanden trifft das so sehr zu wie auf Eleanor.
    »Darf ich mich setzen?«, frage ich Marcie schließlich. Sie rutscht von meinem Schreibtisch und

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