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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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an dem kurzärmeligen Hemd, der Fernsehbrille. Er ist ein Riese, aber er hat mir nie die Hand auf die Schulter gelegt. Doch ich brauche mehr als dieses Schulterdrücken. Ich brauche das Gespräch mit ihm.
    Meine Mutter hat den Tisch mit ihrem schrecklichen Fünfzigerjahregeschirr gedeckt, das keine andere Mutter je besitzen würde.
    »Du bleibst doch zum Mittagessen, Rosie.«
    »Heute kann ich nicht«, sage ich ihr, schwebe an dem gedeckten Tisch vorbei und bewege mich Richtung Hintertür.
    »Was meinst du damit?«, fragt meine Mutter mit ihrer besorgtesten Stimme. Sie steht vor dem Herd, die eine Hand in die Hüfte gestemmt, während die andere drohend eine Suppenkelle umklammert. Auf ihrer Wange ist ein Spritzer Tomatensoße.
    »Ich fahre heim und mache mir mein eigenes Mittagessen«, antworte ich ihr. »Ich will ja nicht wie diese Jesuiten enden.«
    »Ich verpasse dir eine Beule«, warnt sie mich und fuchtelt mit der Kelle. Doch ich bin bereits fort, durch die Fliegengittertür und auf dem Weg zu meinem Wagen. Er hätte mit mir reden sollen. Ich bin extra den weiten Weg gefahren.
    Langsam fahre ich durch die Stadt meiner Kindheit. Ich stehe vor einer roten Ampel beim Commack-Park und starre auf die Schaukeln, auf denen meine Mutter mich anzuschubsen pflegte. Inzwischen sind die Metallstangen in leuchtendem Rot und Gelb gestrichen und erinnern mich an Inga und ihre Kartons voller Vitamin- und Mineralpräparate, die in den gleichen Farben gehalten sind und die sie im Kofferraum ihres Autos umherkutschiert. Sie hat mit dem Verkauf von Almost-Keksen Karriere gemacht, einer widerlichen Mischung aus Algen, Körnern und Melasse, erfunden von einem vitaminbesessenen Hersteller aus Kalifornien. Inga steht für das komplette Sortiment »biologisch-dynamischer Alternativen«, wie sie die krümeligen Snacks nennt, mit denen sie in Fitness-Clubs, Naturkostläden und sogar in 7-Eleven-Märkten im gesamten Nordosten des Landes hausieren geht. Sie verkauft Almost-Bonbons und Almost-Chips, verpackt in glänzendes Rot und Gelb. Insgeheim schreibe ich Ingas Erfolg beim Verscherbeln dieses Zeugs der Tatsache zu, dass sie blond, dünn und weiblich ist. Ich selbst war nie versucht, mir einen Vorrat an Almost-Produkten zuzulegen, und wenn mir Inga in der Vergangenheit einen Riegel von diesem und eine Tüte von jenem angeboten hat, habe ich immer höflich abgelehnt. Ich habe reichlich Erfahrung damit, annähernd das zu bekommen, was ich will. Und wenn es ums Essen geht, mache ich keine Kompromisse. Trotzdem muss es Leute geben, die sich das reinpfeifen, was Inga verkauft. Vielleicht führt Teddy gerade einen bläulichen Almost-Chips zu seinem rosa Zahnfleisch und kaut zärtlich darauf herum, während er Inga beim Unkrautrupfen zuschaut.
    Zuhause blinkt die rote Anzeige des Anrufbeantworters verführerisch in Teddys verlassenem Arbeitszimmer. Ich rede mir ein, darauf eine Nachricht von meinem Vater vorzufinden, in der er mir mitteilt, ich solle mir keine Sorgen machen, es gehe ihm gut, das Blut im Urin habe nichts zu bedeuten. Denk dran, Rosie, wird er am Ende noch hinzufügen, man muss nicht die ganze Zeit reden, um jemandem zu sagen, wie sehr man ihn liebt . Als ich zum Anrufbeantworter komme, versetzt eine leuchtende 3 meinen Magen in Aufruhr. Drei Anrufe, während ich weg war! Mein Finger drückt die PLAY-Taste.
    Hi, Roseanna. Wie geht’s Ihnen? Hier ist Ham. Oder Mickey, wie Sie wollen. Ähm … mit Milton ist alles in Ordnung. Ich … äh … rufe wegen dieser anderen Sache an, über die wir diese Woche schon in meinem Büro geredet haben. Bitte rufen Sie mich doch zurück, wenn Sie Zeit haben.
    PIIIEP!
    Ja, Roseanna. [Es ist Teddy!] Hör zu, äh … Inga hat mir gegenüber erwähnt, dass du diese Woche vorbeigekommen bist. Bei ihr. Wolltest wohl mich sehen. Bitte komm in Zukunft nicht mehr, äh … unangemeldet zu ihr. Das regt sie zu sehr auf, und es ist auch nicht fair ihr gegenüber. Wenn du was von mir willst, ruf bitte vorher an, dann können wir etwas ausmachen.
    Klick! PIIIEP!
    Miss Plow? Miss Plow? Hier ist Milton! Milton Beyer, ja? Ihr bester Arbeiter im SaveWay, ja? Ich bin ein sehr guter Arbeiter, Miss Plow. Aber jetzt bin ich nicht bei der Arbeit. Ich bin zu Hause … Aber meine Mutter ist im SaveWay und kauft etwas zu essen ein! Ist das nicht lustig? Ich rufe an, weil ich Ihnen etwas sagen muss. Warten Sie mal kurz.
    Ich warte. Aus dem Hörer dringt ein Poltern, gefolgt von schwerem, ängstlichem Atmen.
    Take my

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