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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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mich, als ich auf dem Weg unter die Dusche bin, dann kleidet er sich in aller Ruhe fertig an.
    »Reservieren Sie mir den besten Schweinebraten!«, höre ich Helen rufen, als er aufbricht. »Ich komme später vorbei, um ihn abzuholen.«
    »Wollen Sie einen mit Knochen, Mrs P.?«
    Die Antwort höre ich nicht.
    Ich ziehe mich an und treffe am Esstisch auf Helen. Sie hat den Tee für uns selbst gemacht und dazu ein Porzellanservice benutzt, das ein Hochzeitsgeschenk war. Teddy hat es immer gehasst. Er verabscheute das zarte, ländliche Motiv und den Goldrand. Während der Flitterwochen hatte er sich stattdessen eine männlich aussehende italienische Espressomaschine gekauft, etwas Geometrisches in kräftigem Rot.
    »Ich habe deinen missratenen Ehemann diese Woche auf der Post getroffen«, sagt Helen, schenkt Tee ein und liest meine Gedanken. »Die ist genau neben der Praxis für Daddys Strahlenbehandlung, weißt du. Auf dem Jericho Turn-pike.«
    »Wie geht es Dad?«
    »Gut.«
    »War Teddy zusammen mit Inga da?«, kann ich nicht umhin zu fragen.
    »Nein.« Sie tätschelt mir freundlich die Wange. »Warum interessiert dich das? Du hast doch jetzt einen netten Mann. Trink deinen Tee.«
    »Ma, ich finde, du solltest Mickey nicht bitten, dir einen Schweinebraten zurückzulegen. Er ist doch nicht mehr Metzger. Er ist jetzt Geschäftsführer.«
    »Oh, Ham macht das nichts aus.«
    Sie schiebt mir eine Tasse mit Unterteller hin, dann schlägt sie das schwarze Album auf, das neben ihrem Tee auf dem Tisch liegt. Vor Aufregung läuft mir ein Schauer über den Rücken. Das also ist es.
    »Ich kann es dir nicht verübeln, dass du mir in letzter Zeit aus dem Weg gegangen bist«, sagt sie und blickt versonnen auf die Sammlung von Schwarz-Weiß-Fotos, die von kleinen schwarzen Fotoecken gehalten werden. Das ist ein Album, das ich nie zuvor gesehen habe. Helen seufzt und blättert eine Seite um, dann blättert sie zurück an den Anfang. »Mir ist klar geworden, dass das keine ganz unwichtige Neuigkeit war, die ich dir da mitgeteilt habe«, fährt sie fort. »Über deine Mutter. Und mich. Und deinen Vater.«
    Etwas regt sich zwischen meinen Rippen, ein kleines pelziges Tierchen. »Du hast mir noch gar nichts über meinen Vater erzählt.«
    »Ich meinte Pulkowski. Also eher deinen Großvater. Wenn man es genau nimmt.«
    Sie knetet ihre Hände, roter Nagellack blitzt auf und verschwindet wieder. Einen kurzen Moment lang kann ich nachfühlen, was in der zierlichen Frau vorgeht, die mir gegenübersitzt.
    »Er sah schrecklich aus«, sagt Helen.
    »Wer?«
    »Teddy.«
    Natürlich. Sie würde nie behaupten, Pulkowski sähe schrecklich aus.
    »Sein Haar stand in alle Himmelsrichtungen ab, und ein Hemdzipfel hing ihm aus der Jeans …«
    »Also, Ma«, versuche ich es wieder, zum hundertsten Mal seit zwei Wochen. »Wer ist mein Vater?«
    »Mein Pulkowski war deinem Ham sehr ähnlich, als er jung war«, sagt sie und überhört meine Frage.
    »Er ist nicht mein Ham.«
    »Wessen Ham ist er denn dann?«
    »Wir haben nur das ein oder andere Date.«
    »Im Bett.«
    Ich kann es nicht fassen, dass ich dieses Gespräch mit meiner Großmutter führe.
    »Wer ist mein Vater?«, frage ich wieder, und wieder gibt sie keine Antwort.
    Sie blättert stattdessen ein paar Seiten in dem Album weiter, bis sie den Schnappschuss gefunden hat, nach dem sie sucht, dann reicht sie mir das Buch. »Da«, sagt sie und deutet auf das Foto des jungen Pulkowski in seiner Air-Force-Uniform: groß, breitschultrig und wirklich gut aussehend. »Kannst du die Ähnlichkeit mit Ham erkennen?«
    Es ärgert mich, dass es mir gelingt.
    »Es heißt doch immer, die meisten Mädchen heiraten ihre Väter«, fährt Helen fort. »Und ich fürchte, das hast du auch getan. Jetzt allerdings bist du mit deinem Großvater zusammen.«
    »Ma!«, sage ich und schlage das Album zu, da es mir Angst macht. »Es hat mir besser gefallen, als du noch mit mir über mein Gewicht gesprochen hast.«
    »Dein Gewicht ist in Ordnung«, sagt sie und schlägt das Album wieder auf der ersten Seite auf. Ein leichter Modergeruch steigt von den Seiten auf. »Da«, sagt sie und ein Lächeln spielt um ihre Lippen. Sie schiebt mir das Buch hin.
    Ich sehe ein Foto von Helen als junger Frau am Strand, mit der Art von Filmstarbeinen, die es heute nicht mehr gibt. Das Röckchen ihres Badeanzugs wird vom Wind gegen ihre schmalen Hüften gedrückt. Hinter ihr ist die Brandung. Ich sehe eine hübsche Brünette, ganz entschieden eine

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