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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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versucht, Marcie einfach zu sagen, dass alles okay ist. Ist es aber nicht. Und es strengt mich an, ständig so zu tun, als wäre es das. Vielleicht sehe ich deshalb mittlerweile aus wie eine Psychopathin.
    »Aber wie dem auch sei«, sagt sie zu mir, während ich zwischen Schlaf- und Esszimmer pendle und ziellos nach einem annehmbaren Grund dafür suche, warum ich wach bin. »Ich komme in zwanzig Minuten vorbei, um dich abzuholen. Dann fahren wir zu mir, und da werden wir jede Menge Pasta und Eis essen und literweise Wein trinken, reden, lachen und über unsere Kollegen lästern.«
    »Ich kann nicht …«
    »Du kannst und du wirst. Sogar Ham hält das für eine gute Idee.«
    »Du hast mit Mickey gesprochen?«
    »Ich bin ihm im SaveWay über den Weg gelaufen. Wo sonst hab ich wohl die Pasta her?«
    Statt den Stuhl am Esstisch nur anzustarren, setze ich mich darauf. Es ist derselbe, auf dem Helen vor einer Woche gesessen hat, um mir zu erzählen, dass mein Vater ein Penner war und meine Mutter mich, ohne eine Sekunde zu zögern, zurückgelassen hat. Ich lehne mich auf dem Großmutterstuhl zurück. Mir fehlt die Energie zum Streiten. In irgendeinem Winkel meines Herzens berührt es mich, dass Marcie genug an mir liegt, um an ihrem Sechsmonatsjubiläum mit ihrem Chef ein Treffen unter Frauen zu arrangieren.
    »Zieh dich an!«, sagt sie. »Ich bin schon unterwegs.«
    Doch sie kommt nicht allein. Sean ist dabei. Sean, den ich noch nie außerhalb seines Büros getroffen habe. Wie überrascht bin ich, als ich meine Tür aufmache und ihn in ausgebeulten Jeans und einer Schirmmütze mit Yankee-Aufdruck vor mir stehen sehe! Sean Zambutos Kopf ist nicht für Schirmmützen mit Yankee-Aufdruck gemacht. Er hat die Form einer Kidney-Bohne. Es ist der Kopf des Mannes, der die Abteilung für Sozialarbeit leitet.
    Er hat die Hände in die Hosentaschen vergraben, den Kopf leicht vorgebeugt und lächelt mich an. »Roseanna«, sagt er in dem gleichen höflichen Tonfall, den er auch bei unseren Besprechungen benutzt. Er zieht eine Hand aus der Tasche und streckt sie mir hin. Ich habe ihm nie zuvor in einer karierten Schlafanzughose die Hand gegeben. Ich komme mir blöd vor in meinen billigen, nachgemachten Ugg-Boots aus dem Discounter.
    »Seanie«, befielt Marcie, »schnapp dir ihre Handtasche.« Sie umarmt mich. Meinen Mantel hält sie bereits im Arm. »Los geht’s«, sagt sie, und ich gehorche stumm und erlaube ihr, mich aus meiner leeren Wohnung auf die Rückbank des vorgewärmten Big Red zu verfrachten.
    »Bring uns direkt zu mir nach Hause, Seanie«, befiehlt Marcie, kaum dass wir uns angeschnallt haben. Seanie verlässt den Parkplatz vor der Anlage. Marcie vertieft sich sofort in die Behandlung.
    »Roseanna«, sagt sie und macht einen auf Therapeutin – sie atmet tief durch und stellt Blickkontakt her. »Unsere Mission für heute lautet, dir so viel Normalität zu bieten, dass du erkennen kannst, wie unbedeutend diese Neuigkeiten von deiner Mutter in Wirklichkeit sind.«
    »Sie ist nicht meine Mutter.«
    Marcie wischt diese Überlegung mit einer Handbewegung beiseite. »Ja, eine wahnsinnig große Sache. Hol am besten gleich deine Zoloft-Pillen raus.« Ich sehe im Rückspiegel, wie Sean die Augenbrauen hochzieht. Das erinnert mich an Pulkowski.
    »Sie hat dir alles erzählt, stimmt’s?«, frage ich.
    »Ich habe sie angerufen. Am Freitag. Als du mal wieder zum Kotzen aussahst. Wir haben bei ihr zu Hause einen Kaffee getrunken. In deinem Zuhause also. Oder dem Zuhause deiner Großeltern.«
    Ich reibe meine Schläfen. Ich bin noch nicht bereit, meine Geschichte mit anderen zu teilen. Mickey reicht. Er war gut zu mir und hat keine Fragen gestellt. Er hat eine Menge Fleisch für uns zubereitet, als würde das helfen. Doch ich bin vollkommen in meinen Gedanken versunken, egal, ob nun etwas im Ofen brutzelt oder nicht. Nach der Arbeit liege ich jeden Abend im Bett und ignoriere ihn. Stattdessen versuche ich, mir vorzustellen, aus wessen Bauch ich gekommen bin, als meine Knochen vollständig, meine Finger einzeln ausgebildet waren und meine Beine stark genug, um gegen den Magen einer Frau zu treten, die ich nie gekannt habe. Ich wende Mickey und seinen Braten den Rücken zu; meine Besessenheit in den vergangenen zwei Wochen ist meine ganz private Hölle gewesen, und ich habe sie für mich behalten und mit geradezu masochistischer Begeisterung gehätschelt.
    Marcies Mund hat aufgehört, sich zu bewegen, und wir alle schweigen Gott sei Dank

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