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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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küsse ihn fest auf den Mund. Seine Hand gleitet unter die Decke und findet dort etwas Nettes.
    Dann hören wir ein Klopfen an der Tür.
    Ich werfe einen Blick auf den Wecker, der 8 Uhr 59 anzeigt.
    Sie konnte nicht mal bis neun Uhr warten.
    »Wer ist das?«, fragt Mickey, zieht die Hände zurück und starrt auf die Schlafzimmertür.
    »Ich weiß nicht«, lüge ich.
    Er setzt sich auf, und seine glatten, muskulösen Schultern ragen aus der Decke. Sein Anblick in der Morgensonne, so groß und stark, macht mich immer noch leicht nervös. Ich bin daran gewöhnt, es körperlich mit dem Mann aufnehmen zu können, der neben mir im Bett sitzt.
    Das Klopfen geht weiter. Ich hasse den blöden Rhythmus, in dem sie an die Tür trommelt. Dadadamdam-damdam! So klopft eine Großmutter, keine Mutter. Allein an ihrem Klopfen in all den Jahren hätte ich erkennen müssen, dass sie nicht meine Mutter sein konnte. Mickey springt aus dem Bett und geht in Richtung Badezimmer.
    »Willst du nicht antworten?«, fragt er.
    Unsere Beziehung ist noch zu frisch, um ihm zu erzählen, wie ich am liebsten darauf reagieren würde. Ich würde am liebsten nackt wie ein Pin-up-Girl die Tür aufreißen und der Person auf der anderen Seite befehlen, zu verschwinden. Raus aus dieser Wohnanlage! Runter von diesem Grundstück! Ich würde dieser Person, die sich schamlos als meine Mutter bezeichnet hat und sich nun weigert, mir alles über meine wahren Eltern zu erzählen, am liebsten sagen, dass sie sich ein anderes Projekt suchen soll. Lass mich allein. Such dir einen eigenen Freund.
    Stattdessen hülle ich mich in den Bademantel und gehe zur Tür. Ich starre sie wütend durch den Türspion an, in dem ihr Kopf größer und ihr Körper winzig aussieht. Ihre Augen treten verzerrt hervor, wie bei einem Insekt unter dem Mikroskop.
    »Was willst du?«, schreie ich durch die Tür. Vielleicht ist es gar kein Schreien. Vielleicht schreie ich nur innerlich. Doch die Frage ist feindselig genug, und ich sehe, wie sie ein Stück zurückweicht und an etwas nestelt, das unter ihrem Arm klemmt – unter dem, der nicht die große Tasche hält. Es sieht aus wie ein Fotoalbum.
    Ich bin nur froh, dass es kein Gedichtband ist. Nie wieder werde ich eine Frau mit einem Gedichtband in meine Wohnung lassen. Das große Insektengesicht sieht zu mir auf, traurig und ein bisschen verzweifelt. Bevor ich nachdenken kann, entriegele ich die Tür und mache auf.
    »Komm rein, Ma … Helen, meine ich«, sage ich.
    Helen tritt in ihrem beigefarbenen Mantel ein. In perfekter Symmetrie kommt Mickey ins Wohnzimmer, ein malvenfarbenes Handtuch um die Hüften geschlungen. Er schenkt Helen ein Lächeln, als wäre sie eine zornige Kundin, die Ersatz für eine Tomatenkonserve will, nur weil sie ein klein wenig verbeult ist.
    Helens Blick wandert von Mickeys Handtuch zu mir und zurück zu Mickey.
    »Hi, Ham«, sagt sie. »Es wurde auch Zeit, dass Sie hier auftauchen.«
    »Hallo, Mrs Pulkowski«, sagt Mickey. »Ich wollte gerade aufbrechen, aber es freut mich, Sie zu sehen.«
    »Das denke ich mir«, sinniert Helen und starrt dreist auf Mickeys Körper. Er gibt mir einen Klaps auf den Po, als er aus dem Zimmer geht, dann lacht er kurz auf, ein leises Kichern, und das klingt so entspannt und enthemmt, dass ich für eine Sekunde glaube, mich in eine Episode von Twilight Zone verirrt zu haben.
    »Dann ist mein Timing ja perfekt«, ruft Helen ihm hinterher. »Rosie und ich haben einiges zu bereden.«
    »Na, dann besser gleich als nie«, erwidert Mickey, bleibt dann in der Schlafzimmertür stehen und dreht sich um. Er scheint es zu genießen, sein malvenfarbenes Handtuch vorzuführen. »Rosie glaubt, dass es ihr größtes Trauma war, von einem Hund gebissen zu werden.« Er schenkt mir einen durchdringenden Blick, der direkt einer Seifenoper zu entstammen scheint. »Aber ich glaube, dass da noch etwas sein könnte.«
    »Stimmt«, sagt meine Quasi-Mutter. »Bei Rosie ist immer noch etwas.«
    Ich plumpse auf das Sofa, das zufällig zu Mickeys Handtuch passt. »Vielleicht solltest du nach Hause gehen und dir Die zehn Gebote ansehen«, fauche ich Mickey an. »Dann hast du eine ungefähre Vorstellung davon, was ich später mit dir tun möchte.«
    »Rosie!«, sagt Helen.
    »Keine Sorge«, sage ich ihr. »Es ist jugendfrei.«
    »Mach mir einen Tee, Rosie, und dann zieh dich an«, sagt Helen. »Ich muss dir etwas zeigen.«
    Im Schlafzimmer sitzt Mickey auf dem Bett und schlüpft unschuldig in eine Socke. Er umarmt

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