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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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Stunden vergehen, Fernsehgeräusche, Eiscreme und Nickerchen wechseln einander ab, und Marcie hält mir immer noch Vorträge darüber, dass ich mich auch außerhalb der Bestrahlungstermine mit Helen treffen sollte. Mickey taucht in genau dem Moment auf, als Seanie eine Schüssel mit dampfender Pasta auf den Couchtisch stellt. Ich sehe aus meinem Nebel auf, und da ist er, mein Koteletten tragender Kavalier. Er steht mit einer SaveWay-Tüte im Arm vor mir und lächelt beim Anblick meiner Plüschpuschen mit Leopardenmuster, von denen jede halb so groß ist wie sein verstorbener Hund Dukey.
    »Na?«, sagt er. »Wie war dein Verwöhntag?«
    Ich springe auf die Füße, stoße dabei fast den Couchtisch mit den Spaghetti um, und schlinge meine Arme um seinen Nacken. Er hält mich mit dem freien Arm, im anderen hat er immer noch die Tüte mit Lebensmitteln. Ich klammere mich an ihn wie ein kleiner Pavian. Irgendwie gelingt es ihm, die Tüte abzustellen. Ich versuche gar nicht erst, etwas zu sagen; das wäre nur störend. Ich bin sicher, dass er meinen Weinatem riecht und dass er mein seltsames Outfit bemerkt hat: die rosa karierte Schlafanzughose und das graue T-Shirt mit den kleinen Löchern am Saum. Er riecht so gut, nach frischer Herbstluft, einem Aftershave für alte Männer und Weichspüler. Er gehört mir. Er versucht nicht zu fliehen, wie all die anderen, oder tischt mir Lügen auf, wie manche von ihnen, oder beklagt sich über die Tatsache, dass ich nicht hübsch genug bin. Das Leben hat mir ein paar schwierige Bälle zugespielt, aber auch einen ehemaligen Metzger mit Knackarsch und einem goldenen Herzen.
    »Und einem goldenen Herzen!«, plappert jemand. Anscheinend bin ich das. Anscheinend sage ich das laut, anstatt es nur zu denken. Anscheinend bin ich sehr, sehr betrunken.
    »Du bist süß, wenn du betrunken bist«, flüstert Mickey mir ins Ohr, und dadurch weiß ich, dass ich ihm das mit dem Knackarsch ebenfalls gesagt habe, statt es nur zu denken.
    »Wenn ich dir jetzt sage, dass ich geheilt bin, bringst du mich dann heim?«, frage ich ihn – ein bisschen zu laut und ein bisschen zu drängend.
    »Klar«, sagt Mickey, »aber erst musst du etwas von dem leckeren Abendessen probieren.«
    »Wer zum Teufel bist du, mein Vater oder was?«, frage ich und wechsele übergangslos von süß betrunken zu ätzend betrunken. Doch Mickey lacht nur, und Marcie wirft von irgendwo hinter uns ein: »Diese Woche verdächtigt sie wahrscheinlich so ziemlich jeden, ihr Vater zu sein.«
    Das setzt ein schallendes Gelächter in einem verborgenen Winkel meines Innern frei. Ich zittere vor Lachen, biege mich vor Lachen und werde so geschüttelt, dass Marcie mich vorsichtig auf dem Sofa Platz nehmen lässt, bis es vorbei ist. Seanie mustert mich mit weit aufgerissenen Augen und besorgtem Blick, doch das beunruhigt mich nicht länger, weil er ja nur der absolut hingebungsvolle Schoßhund meiner Freundin Marcie ist. Dieser meiner Freundin hier, Marcie! Endlich gibt es eine Freundin, die sich wirklich und ernsthaft um Roseanna Plow sorgt. Nicht wie Inga, diese Abtrünnige, diese Schlampe, diese ausgemergelte Möchtegern-Dichterin, die mit meinem Mann schläft, während sie in einem hässlichen rosa Haus in Hauppauge irgendwelche Seegras-Chips futtert.
    Als meine Hysterie sich gelegt hat, merke ich, wie Mickey meine Arme in die Ärmel meines Mantel steckt und anscheinend bereit ist, auf die Pasta zu verzichten und mich nach Hause zu bringen. Er bedankt sich herzlich bei Sean und Marcie für den Tag und bietet ihnen den Inhalt seiner SaveWay-Tüte im Austausch für ihre Dienste an. Dann hilft er mir mit einem starken Arm auf die Füße und schiebt mich zur Tür.
    »Vergiss nicht, deine Mutter anzurufen!«, grölt Marcie irgendwo in meinem Rücken, bevor die Tür zugeht. »Sie liebt dich nämlich, weißt du.«

18
Der Baum der Verlassenen
    »Also, dann sehe ich dich später im Geschäft?«, fragt Ham und drückt meinen trägen Körper, der voll bekleidet auf dem Sofa lümmelt. »Hörst du mir überhaupt zu, Rosie?«
    »Natürlich.« Ich versuche, mich aufzusetzen, doch meine Stirn fühlt sich an, als würde ein Topfdeckel dagegengeschlagen. »Ich hab nur gerade über mein heutiges Treffen mit Milton nachgedacht«, lüge ich.
    Mickey runzelt die Stirn, als würde er mir nicht glauben.
    »Also gut, außerdem vertrage ich keinen Alkohol. Und Marcie hat mich mit billigem Wein abgefüllt.«
    »Rosie«, sagt er. »Lass mich dir etwas sagen, ohne dass

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