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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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Geschenk von Helen sind. Aber heute scheinen sie mir genau richtig zu sein, die perfekte Mischung aus Schande und Komfort.
    Sobald ich drinnen bin, suche ich in der Lebensmittelabteilung nach Milton, wohin er heute eingeteilt ist. Er hat mich bereits mehrmals gebeten, ihn vom Auffülldienst zu befreien. Sogar aufs Wageneinsammeln ist er dieser Tage nicht scharf. Stattdessen will er seinen Job als Tütenpacker an der Kasse zurück, und ich rechne fest damit, dass er mich heute wieder darauf ansprechen wird.
    Er ist am glücklichsten, wenn er Kontakt zu den Kunden hat. Er hat gelernt, die Kunden an der Expresskasse bei der Zahl der Artikel schummeln zu lassen, ohne etwas zu sagen. Er hat gelernt, den Kunden in die Augen zu sehen, wenn er sie fragt: »Plastik oder Papier?« Er fragt auch die Kinder in den Wagen nicht mehr, ob er von ihren Süßigkeiten probieren darf, aber beim Einpacken bedarf es dennoch einer Aufsicht, weshalb er meistens für andere Aufgaben eingeteilt wird.
    Ich treffe ihn in Gang sechs an, wo er mit einem gelben Staubwedel ein Regal mit Hundekuchen entstaubt. »Kräcker, Kräcker, Kräcker, finden Hunde lecker!«, trällert er, ein Werbejingle für Hundefutter, den er im Fernsehen gesehen hat. Sein Haar fällt ihm auf eine Weise in die Stirn, wie es das sonst nur bei coolen jungen Männern tut. Er ist unangemessen hübsch. Er könnte als James Bond gecastet werden, wenn 007 Babys genauso gern mögen würde wie Blondinen.
    »Hallo, Milton«, sage ich, und er dreht sich um und vergilt es mir mit seinem warmherzigsten Lächeln.
    »Miss Plow!«, sagt er. »Ein wunderschönes Thanksgiving!«
    »Bald«, erkläre ich ihm. »In ein paar Wochen.«
    »Nein, jetzt .« Er lässt den Staubwedel sinken, wirbelt herum und deutet auf einen gewaltigen Stapel aus Kürbiskonserven am Ende des Ganges. Von der Spitze lächelt eine Pappfigur herab. »Sehen Sie?«
    »Vielleicht hast du recht«, sage ich zu ihm, viel zu erschöpft, um ihm erklären zu können, dass diese saisonalen Angebote immer Wochen vor dem eigentlichen Ereignis in den Läden stehen. Er verschlingt mich mit den Augen wie ein Liebhaber.
    »Noch kein Schnee«, sagt er.
    Wieder hat er recht.
    Ich habe das Auto in einem Wirbel aus trockenen Blättern vor dem SaveWay geparkt. Long Island wird voraussichtlich zu Thanksgiving grau und staubig sein, statt weiß und glitzernd. Teddys und Ingas erste gemeinsame Feiertage werden vermutlich lausig sein. Sie werden sich an braunes Gras, kahle Bäume und schmutzige Autos erinnern, und keine der Unvollkommenheiten dieser Welt wird von strahlendem Weiß kaschiert sein. Immerhin etwas, denke ich, und es muntert mich ein bisschen auf. Milton kitzelt sich selbst mit dem Staubwedel unter dem Kinn, doch er blickt mich aufmerksam an.
    »Sind Sie traurig?«, fragt er.
    »Nein. Nur müde.«
    »Traurig, weil wir noch keinen Schnee haben?« Er blickt mich unverwandt aus braunen Augen an.
    »Wie gefällt es dir, die Regale zu entstauben?«, frage ich.
    »Ich will lieber Tüten packen.«
    »Ja«, sage ich. »Warum machst du mit deiner erstklassigen Arbeit hier nicht noch ein paar Minuten weiter, während ich mit Mr Hamilton rede?«
    »Wie viele Minuten?«
    »Fünf.«
    »Fünf?«
    »Genau.«
    Betrübt wirft er einen Blick auf seine Armbanduhr. »Na gut.«
    Ich lasse ihn an Ort und Stelle zurück und strebe den Milchprodukten zu, wo das Büro des Geschäftsführers liegt. Ich werde Mickey fragen, ob ich Milton eine Zeit lang beim Einpacken beaufsichtigen kann, und vielleicht bekomme ich sogar meinen Kuss. Dann werde ich wieder nach Hause fahren und schlafen, bis man mich findet. Lange Neonröhren leuchten über dem Käse und bringen den Kopfschmerz hinter meinen Augen zurück. Ich klopfe einmal an die Bürotür, bevor ich eintrete.
    »Herein«, sagt Mickey.
    Er sagt es mit seiner freundlichen Stimme, doch sie hat auch etwas Geschäftliches. Meine Augen müssen sich erst an die schwache Beleuchtung im Raum gewöhnen. Dann rieche ich das Parfüm. Ein leichter, kesser Duft, den ich aus den Gratisproben in meinen Cosmopolitans kenne. Ich starre ins Dämmerlicht, um zu erkennen, wer es trägt, und sehe Mickey, der am Tisch einer Frau mit blondem Haar gegenübersteht. Sie ist ganz eindeutig ein echtes Cosmo -Girl. Sie scheint violette Augen zu haben, doch das könnten auch Kontaktlinsen sein. Sie ist ausgesprochen hübsch, doch das könnte auch an ihrem perfekt aufgetragenen Make-up liegen. Sie trägt einen weinroten Wollmantel, sehr

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