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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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Wein, Liebling!«
    Seanie taucht bereits mit Mantel aus seinem neuen Arbeitszimmer auf, umrundet das Sofa, um von Marcie einen Kuss zu empfangen, geht dann zur Haustür und verschwindet.
    »Er ist ja so süß«, säuselt Marcie, und ich kann mir einen Kommentar nicht verkneifen.
    »Er ist sicher ganz nett«, setzt die Dreiviertelflasche Wein an, »aber er ist einundvierzig, war nie verheiratet und nimmt Befehle entgegen wie ein Kellner.«
    »Und worauf willst du hinaus?«, fragt Marcie mit breitem Grinsen.
    »Du könntest jeden haben, Marcie …«
    »Habe ich auch, glaub mir.«
    Ich lasse das eine Minute auf mich wirken, während ich auf einem kalten Chicken Wing herumkaue. »Meine wirkliche Mutter war in der National Honor Society«, sage ich ins Blaue hinein.
    »Oh, den Typ Mädchen kenne ich«, lässt Marcie verlauten und zwirbelt an einer zweifarbigen Haarsträhne. Ich weiß nicht, ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung für meine Mutter ist.
    »Und was ist mit dir? Was für ein Typ warst du?«
    »Was glaubst du?«, fragt Marcie. »Cheerleader natürlich. Jetzt sag nicht, dass dir das nicht aufgefallen ist. Ich habe Cheerleader-Gene, und du hast Honor-Society-Gene.«
    Vielleicht liegt es am Wein, aber das ergibt einen Sinn für mich.
    »Ich bin rumgehopst, habe Rad geschlagen und bin von Pyramiden aus anderen Cheerleadern gesprungen, und dafür haben sie mich geliebt, ja, angehimmelt .«
    Ich muss nicht mal fragen, wer. Alle haben sie geliebt und sie angehimmelt. Das ist das Schicksal des Cheerleaders. Marcie nestelt am Saum ihrer Scooby-Doo-Schlafanzughose. »Ich bin mit jedem Jungen, den ich wollte, ausgegangen«, sagt sie. »Mit dem Captain des Football-Teams. Einem Ringer. Einem Studenten, der als Lehrer gejobbt hat und Edward X. Wilson hieß. Das mussten wir geheim halten. Sein zweiter Vorname war Xavier, und er war nicht beschnitten. Er war aber auch nicht anders als die anderen. Alle haben sie mir in die Augen geblickt und dabei an meinen Schritt gedacht. Ich war das Mädchen, das im kurzen Faltenröckchen Spagat gemacht hat. Mehr haben sie in mir nicht gesehen – blonde Haare und den Schritt.« Abwesend nimmt Marcie einen Schluck aus der leeren Weinflasche. »Irgendwann langweilt einen das, Rosie.«
    In Gedanken kehre ich zurück zu meiner eigenen, qualvollen Zeit an der Highschool. Ich saß in meinem grobknochigen Körper auf der Tribüne, sah Mädchen wie Marcie hüpfen und klatschen und herumwirbeln und kam mir dabei so einsam und fehl am Platz und misslungen vor, dass ich später im Leben bereit gewesen war, die mangelhafte Zuneigung eines Mannes wie Teddy zu akzeptieren. Einmal hatte es einen sehr beliebten Jungen gegeben, der mich wirklich mochte, aber er konnte es nicht zugeben. Er saß in einem Kurs neben mir, der in unserer schlecht beleuchteten Schulaula stattfand, weil die Klassenzimmer von Schülern überquollen. Er gehörte zu der Art Jungen, die Marcie wie Kleenex-Tücher verbrauchte, doch für mich war er der einzige Junge, dessen Schicksal in Football-Spielen und Beliebtsein bestand und der sich trotzdem für mich interessierte. Jeden Tag ließ er sich auf den Klappsitz neben mir gleiten und lächelte in einer Weise, die seine Freude darüber, mich zu sehen, nicht verbarg. Im Schutz der schwachen Beleuchtung und der hohen Rückenlehnen erzählte er mir davon, wie unglücklich seine Mutter war, und von den Seitensprüngen seines Vaters, von seiner Angst, in Chemie durchzufallen, und seinem nachlassenden Interesse an seiner Freundin, einem Mädchen namens Marissa Olsen, die natürlich auch Cheerleader war und sogar als »Homecoming Queen« nominiert. Eines Nachmittags direkt vor Schulschluss hatte er impulsiv meine Hand genommen. »Ach, wärest du doch nur hübscher, dann könnte ich mit dir ausgehen«, hatte er gerufen. Dann war er wieder schüchtern geworden und hatte so getan, als würde er auf seinem Schoß Geometrie-Hausaufgaben machen. Ich bewahrte seinen Ausbruch für den Rest meiner Zeit an der Highschool im Herzen. Es fühlte sich an wie ein warmer, glühender Goldklumpen, den mir niemand wegnehmen konnte. Wäre ich nur hübscher gewesen, dann hätte er mich geliebt!
    Die Tür geht auf und herein kommen ein Schwall kalte Luft und Sean Zambuto. Auf dem Weg zur Küche drückt er Marcies Schulter. Sie sieht mich an und sagt: »Siehst du? Der Mann liebt mich wirklich.« Sean kehrt mit einer entkorkten Flasche Shiraz zurück und verschwindet dann wieder. Wir trinken weiter.
    Die

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