Seitensprung ins Glück
Tränen steigen mir in die Augen.
Teddy wirkt verblüfft. Dann sieht er auf und sagt: »Ich wollte heute mit dir darüber sprechen, welche, also, welche Maßnahmen wir treffen müssen.«
Ich fahre mit dem Handrücken über meine Augen.
»Ich vermute, dass dich das nicht überrascht.«
»Nein«, sage ich und merke, dass das stimmt.
»Inga und ich haben ja jetzt dieses Haus, weißt du …« Anscheinend meint er, er schulde mir eine Erklärung. Voller schlechtem Gewissen blickt er mich an, ändert dann aber seinen Ausdruck. »Ich habe mich gefragt, was du jetzt wohl so vorhast, mit der Wohnung und allem.«
»Was ich vorhabe?« Ich zwirbele am Rand einer Stoffserviette herum, während ich in Gedanken um eine Antwort auf Teddys Frage ringe. Was habe ich vor, jetzt, da Teddy und ich uns scheiden lassen werden? Habe ich vor, weiter ganz in der Nähe meines Exmannes und meiner ehemals besten Freundin zu wohnen und nur wenige Minuten von ihrem neuen Haus entfernt zu arbeiten? Habe ich vor, die Beziehung zu Jemandem aus dem Supermarkt wieder aufzunehmen – so er mich überhaupt noch haben will? Mir wird bewusst, dass ich nicht wirklich weiß, was ich mit dem Rest meines Lebens vorhabe. Nur eines weiß ich sicher, während ich meinem Mann hier im Chili Choo Choo gegenübersitze: Unsere Ehe ist vorbei.
Ich scheine an dem Restaurantstuhl festzukleben und schnappe nach Luft wie ein Fisch außerhalb des Wassers. Dann höre ich mich weinen.
Ist das so, wenn man einem Teil seines Lebens wirklich Auf Wiedersehen sagt? Teddy starrt mich entsetzt an. Er taucht in die tiefe Tasche seines Hemdes von DKNY und zieht ein Taschentuch heraus, das er mir hinhält und das ich auch annehme.
»Darf ich dich etwas fragen?«, säusele ich.
Teddy nickt und blickt leicht verängstigt drein.
»Mit welchem Geld habt ihr dieses Haus gekauft?«
Die Farbe schwindet aus seinen Lippen. »Mit Ingas Geld«, sagt er, »wenn du es wissen musst. Vorläufig zumindest.«
All diese kleinen Chipstüten, denke ich. Almost dies und Almost jenes. Ich lächle in mich hinein, und dann kann ich freier atmen. Teddy vertieft sich in die Speisekarte und runzelt die Stirn, als läse er einen Fachaufsatz. »Sobald du und ich unsere Verhältnisse auf zivilisierte Art geklärt haben«, sagt er, um sich zu rechtfertigen, »beabsichtige ich natürlich, meinen Namen in die Urkunde eintragen zu lassen und einen angemessenen Teil der Kosten zu übernehmen.«
Ich lächle erneut. Das ist das zweite Mal, dass Teddy mich gebeten hat, mich zivilisiert zu benehmen. Obwohl er es ist, der mit meiner besten Freundin in ein Haus gezogen ist, erwäge ich die Möglichkeit, dass ich diejenige bin, die unzivilisiert sein könnte. Ich, die geistig Behinderten beibringt, ihre Serviette auf dem Schoß zu falten, ihren Mantel an einen Haken zu hängen und bei Vorstellungsgesprächen dem Gegenüber höflich die Hand zu schütteln. Ich rolle einen Salzstreuer zwischen den Händen. Die Chilischüsseln rattern auf ihrer Runde weiter schaukelnd an uns vorbei, und Teddy starrt feierlich in die Speisekarte, nachdem er die schwierigste Hürde dieses Essens bewältigt hat. Es wird nicht allzu problematisch werden, nicht mehr seine Frau zu sein.
Eine Serviererin kommt mit einem Block zu uns. Sie ist jung und hübsch, in einer für Long Island typischen Weise. Der Hut eines Eisenbahningenieurs sitzt auf ihrer Hochsteckfrisur wie ein gestrandetes Fischerboot auf einer Sanddüne. Teddy lächelt sie strahlend an, und in Gedanken wandere ich zurück zu der Weihnachtsparty bei Inga. Genau so hatte er mich in jener Nacht angelächelt. Teddy löst den Blick von unserer Bedienung und sieht wieder mich an.
»Was kann ich Ihnen bringen?«, fragt die Serviererin.
»Gar nichts«, erwidere ich. Ich stehe auf, tätschle Teddy den Arm und gehe. »Wir werden unsere Verhältnisse ein andermal auf zivilisierte Art klären müssen«, sage ich zu ihm.
Der schneidende Wind lässt mich mit den Augen blinzeln, als ich die acht Straßen zurück zum Büro laufe. Ich komme an einer Frau vorbei, die einen Kinderwagen voll mit schmutzigen Fahrradreifen schiebt. Ich komme an einem schwarzen Mann mit einem gelben Labrador Retriever und einer weißen Frau mit einem schwarzen Labrador Retriever vorbei. Ich komme an Geländewagen vorbei, jeder Menge Geländewagen: Cherokees, Navigators, Range Rovers, Hummers. Fast immer sitzt eine Frau hinter dem Lenkrad, als wären diese Wagen ein Ersatz für die Männer, die sie gerne gehabt
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